Die Termini „Prozess“ und „Projekt“ gehören zum tagtäglichen Vokabular in Unternehmen. Dahinter stehen zwei Managementdisziplinen:
- (Geschäfts)Prozessmanagement
- Projektmanagement
Beide Disziplinen haben Gemeinsamkeiten aber auch wesentliche Unterschiede.
Vereinfacht ausgedrückt geht es im Prozessmanagement darum, Tätigkeiten in Unternehmen möglichst weitgehend zu standardisieren – mit dem Ziel, die Effzienz und Effektivität der betrieblichen Wertschöpfung direkt oder indirekt zu steigern. Prozesse im Sinne des Prozessmanagements wiederholen sich kontinuierlich. Denken Sie beispielsweise an den Auftragsabwicklungsprozess bei Amazon, ein meines Erachtens exzellentes Beispiel für einen stardardisierten und dadurch hocheffizienten Prozess.
Projektmanagement hingegen ist eine Arbeits- und Organisationsform zur Bewältigung komplexer und neuartiger Aufgabenstellungen. Projekte sind – in der Theorie zumindest – im Gegensatz zu Prozessen nicht wiederkehrend sondern einmalig. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn selbstverständlich können Projekte in Unternehmen auch einen Routinecharakter haben. Denken Sie beispielsweise an Softwareentwicklungsunternehmen, die bestimmte IT Projekte immer wieder durchführen, mit einem teilweise erheblichen Standardisierungsgrad. Und trotzdem sind es Projekte, die auch projektmäßig geführt werden müssen.
Halten wir fest: Bestimmte Projekte können bis zu einem gewissen (sinnvollen) Ausmaß standardisiert werden, nämlich über PROJEKTPROZESSE. Vereinfacht kann man diesen Zusammenhang wie folgt darstellen:
Nach der DIN 69904 wird ein Projektprozess wie folgt definiert: „Prozess, der unmittelbar die Erzielung von Projektergebnissen bewirkt.“ (siehe auch Definition im PM Glossar des Projektmagazins)
Ich möchte diese Definition mit eigenen Worten folgendermaßen ergänzen:
- Projektprozesse sind standardisierte Vorgehensmodelle für bestimmte Projektarten, die in Unternehmen wiederkehrend sind.
- Projektprozesse machen in jenen Bereichen besonders viel Sinn, wo Projekte häufig wiederkehrend sind. Beispiele: Produktentwicklung (z.B. Stage-Gate-Prozess), Softwareentwicklung (RUP, CMMi, XP, V-Modell…) und IT-Projektmanagement sowie im Bauprojektmanagement
- Mindestkriterien für Projektprozesse sind:
- Meilensteine und Projektphasen
- definierte Rollen und Entscheidungsgremien
- einheitliche Formulare und Dokumentationsregeln
- Projektprozesse sollten IMMER den Gegebenheiten des jeweiligen Projekts angepasst werden. Ein zwanghaftes und bürokratisches Abhandeln eines Projektprozesses ist in der Regel völlig kontraproduktiv.
- Projektprozesse sollten möglichst schlank und unbürokratisch sein. Häufig reicht schon eine übersichtliche Darstellung oder ein DIN A4 Blatt mit entsprechenden Stichpunkten.
- Sobald ein Projektprozess sehr differenziert vorgegeben werden kann, solltet Ihr Euch fragen, ob Ihr es nicht schon mit einem (Geschäfts)Prozess zu tun habt.
Fazit: Projektprozesse können eine einheitliche Struktur und Systematik in die Initiierung, Planung, Steuerung und Abwicklung von Projekten bringen. Das steigert die Effizienz und Effektivität im Projekt. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass diese Vorteile durch eine „Über-Standardisierung“ und Unflexibilität in der Anwendung wieder zu Nichte gemacht werden.
Hallo Stephan!
Ich finde Deine Ausführung sehr anschaulig und nachvollziehbar. Ich arbeite momentan an meiner Abschlussarbeit in der ich diesen Sachverhalt exakt wiederfinde. Aus diesem Grund beschäftige ich mich auch näher mit dem Begriff „Projektprozess“ und musste leider feststellen, dass die DIN diesbezüglich einen… Rückzieher gestartet hat, wie Andreas Heilwagen in seinem Blog darlegt: http://pjmb.wordpress.com/2010/05/19/projektprozess-das-relikt-wurde-beerdigt-und-keiner-hats-gemerkt/
Was mich an dieser Stelle interessieren würde ist:
Ist der Begriff Projektprozess dadurch wirklich hinfällig geworden? Bzw. entspricht der Projektmangementprozess jetzt auch einem „Vorgehensmodell“?
Inwiefern lässt sich die Schnittmenge zwischen Projektmanagement und Prozessmanagement da neu definieren?
Vielen Dank und viele Grüße!
PS: Viele Grüße,
Marc :o)