Organisationsentwicklung: Regeln für völligen Stillstand

Der Wandel ist heutzutage die einzige Konstante.“ Könnt Ihr diesen Ausspruch schon nicht mehr hören? Habt Ihr die Nase gestrichen voll von der konstanten Aufforderung zur Veränderung, zur Weiterentwicklung? Falls es so ist, kann ich’s Euch nicht verdenken. Dann seid Ihr wahrscheinlich auch Opfer schlecht geführter Veränderungsprozesse in Unternehmen.

Denn Organisations- und Personalentwicklung, Change Management, Veränderungsmanagement, Organisationales Lernen oder welchen Stempel wir dem Thema auch immer aufdrücken findet in vielen Unternehmen leider immer noch ziemlich dilettantisch und wenig effektiv statt. Kein Wunder, denn Menschen und Organisationen nachhaltig „in Bewegung“ zu bekommen ist ja auch eine wirklich große Herausforderung.

Da kam mir dieser Impuls von Prof. Kruse heute Morgen gerade recht. Die 8 Regeln für den totalen Stillstand im Unternehmen:

Hier die Regeln im Detail (denn der gute Prof. Kruse bläst seine Thesen raus wie ein MG die Munition):

  1. Führungskräfte sollten sich entweder ganz raus halten oder versuchen, alles im Griff zu haben. Immer in den Extremen!
  2. Diskussionen über Ziele und Inhalte möglicher Veränderungen sollten konsequent nur auf der informellen Ebene geführt werden. Machen Sie Gerüchte!
  3. Möglichst viele Aktivitäten sollten gleichzeitig angezettelt werden.
  4. Es sollte ein umfassender Wettbewerb einberufen werden. Jeder ist darauf hinzuweisen, dass nur der Einsatzbereitestes überlebt.
  5. Es sollte stets ausdauernd und unnachgiebig nach den zentralen Verursachern des Problems gesucht werden. Wer ist wirklich Schuld? Analysieren Sie bis ins Detail!
  6. Es sollte auf keinen Fall öffentlich über den Sinn und Unsinn bestehender Regelungen diskutiert werden. Lassen Sie Ihre Regeln in Frieden!
  7. Beschlüsse sollten auf der formellen Ebene möglichst schnell konsensfähig sein, um dann informell in Frage gestellt zu werden. Schnelles Commitment!
  8. Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte stets größer sein auf der Umsetzungsebene. Maximale Beschlussdynamik bei minimaler Umsetzungsdynamik.

Gerade die letzte Regel führt zu einem weit verbreiteten Problem: Veränderungsmaßnahmen werden nicht mehr ernst genommen. Frei nach dem Motto: „Auch diesen Organisationsberater werden wir überleben.“

PM Standards ein Allheilmittel zur Vermeidung von Projektfehlern?

computerwoche_projektfehlerIn der Online-Ausgabe der Computerwoche ist kürzlich der Artikel „Wie sich Projektfehler vermeiden lassen“ (Tipp: Druckversion) erschienen. In der Einleitung des Artikels heißt es:

Das beste Projekt-Management-Werkzeug nützt nichts, wenn die Steuerungskompetenz fehlt. Methoden wie Prince2 oder PMBoK können hier helfen.

Sieben von zehn Projekten sind Fehlschläge, sagt die Standish Group. Mit dieser Erkenntnis sorgt das Marktforschungsunternehmen nach wie vor für Schlagzeilen – offenbar deshalb, weil sich die Situation immer noch nicht gebessert hat. Die Mehrzahl der Vorhaben wird zwar irgendwie beendet, kostet aber deutlich mehr Zeit und Geld als veranschlagt und/oder erreicht die vereinbarten Ziele nicht.

Etablierte Projekt-Management-Methoden wie Prince2 (Projects in Controlled Environments) oder PMBoK (Project Management Body of Knowledge) sollen helfen, die Projekte ins Ziel zu bringen. Aber was haben sie tatsächlich zu bieten, wenn es gilt, die größten Projektfehler zu vermeiden? Diese Frage stellte die COMPUTERWOCHE einer Handvoll ausgewiesener Prince2- und PMBoK-Experten.“

Soweit – so gut. Aber ist es wirklich so, dass PM Standards ein Allheilmittel sind, um Projektfehler zu vermeiden? Ich denke nicht. Aber erst einmal Schritt für Schritt.

In dem Artikel nehmen Experten zur Anwendung von „Projekt-Management-Methoden wie PRINCE2 oder PMBoK“ Stellung. Mein erster Kritikpunkt bezieht sich auf die Bezeichnung „Projekt-Management-Methoden“. Denn PRINCE2 ist aus meiner Sicht ein PM Standard und gleichermaßen auch eine PM Methodik (engl. Project Management Methodology), das PMBoK von PMI ist ein PM Rahmenwerk und ein international anerkannter PM Standard (aber sicher keine PM Methodik!). Was ich unter einer PM Methodik verstehe, findet Ihr übrigens HIER.

Worum geht es in dem Artikel inhaltlich? Es wird aufgezeigt, dass durch die Anwendung von PM Standards / PM Methodiken häufige Projektfehler vermieden werden können. Diese sind lt. den Autoren Hackmann/Quack/Hülsbömer:

  1. Die Prozesse für das Projektmanagement sind unzureichend.
  2. Es gibt keine Rücksprache bei Änderungen im Projekt.
  3. Kommunikation findet nicht statt, das Reporting ist schlecht.
  4. Die Komplexität des Projekts wird unterschätzt.
  5. Der Zeitplan ist unvollständig oder unrealistisch.
  6. Der Budgetrahmen ist nicht eindeutig geklärt.
  7. Das Personal ist ungeeignet oder überlastet.

All dies sind sicher häufige Fehler, die in Projekten gemacht werden – kein Zweifel.

Und ich stimme grundsätzlich auch zu, dass durch die Anwendung eines einheitlichen, systematischen PM Ansatzes auf der Basis eines (oder mehrerer) PM Standards / Methodiken (Beispiele „Methodologies“ / hervorragender Artikel von Jason Charvat) gewisse Probleme gemildert werden können. ABER: Ein methodisch und theoretisch „sauberes“ Projektmanagement ist sicher kein Allheilmittel, um Projektmanagement erfolgreich zu gestalten.

Professionelles Projektmanagement basiert auf einem ganzheitlichen „Projektmanagement System„. Das primäre Ziel dieses PM Systems ist es, eine (Projekt)Kultur zu etablieren, in der erfolgreiche Projekte ermöglicht werden. Die Projektkultur verstehe ich übrigens als einen Teil der Unternehmenskultur. Entsprechend basiert ein ganzheitliches PM System eben auf mehreren Säulen (als nur der methodischen). Dies sind:

PM_System_Hagen

Organisation & Rollen: Das Verhältnis zwischen der „Stammorganisation“ und der PM-spezifischen Organisation (und den damit zusammenhängenden Rollen) ist zu klären. Besonders wichtig ist hier, dass das Rollenverständnis auch von der Unternehmensleitung mitgetragen und vorgelebt wird.

Methodik & Prozesse: Hier kann die Anwendung bzw. die unternehmensspezifische Anpassung eines PM Standards bzw. einer PM Methodik von Vorteil sein. Zudem sollten für die wichtigsten Projektarten so genannte „Projektprozesse“ (= Vorgehensmodelle) definiert werden.

Qualifizierung & Lernen: Menschen machen Projekte erfolgreich (oder eben auch nicht). Entsprechend ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle in Projekte involvierten Personen im Unternehmen auch entsprechend qualifiziert werden. Ein zeitgemäßes und breit gefächertes Qualifizierungsprogramm (Trainings, Coaching, Mentoring, Workshops, Zertifizierungslehrgänge…) ist zu implementieren. Wichtig: Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess.

Tools & Systeme: Die Prozesse, Methoden, Checklisten etc. sind entsprechend IT-technisch zu unterstützen. Und: Es muss nicht immer MS Project sein, sondern auch moderne Web 2.0 Tools können sehr effizient und effektiv eingesetzt werden.

Wenn Ihr ein PM System nach diesem Schema entwickelt und einführt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit exponentiell an, dass Sie Projektfehler wirklich nachhaltig bekämpfen und die Erfolgsquote Eurer Projekte gesteigert wird.

Blog-Tipp: Thomas Weller

thomas_wellerSeit einigen Wochen verfolge ich die Blogposts (respektive die Twitter Einträge) von Thomas Weller. Er ist „Projektleiter, Berater, Trainer und Autor für die Themen CRM, Projekt-Management und Vertrieb“.

Seine Inputs und Tipps zum Thema Projektmanagement sind wirklich hervorragend. Deshalb empfehle ich Euch seinen Blog zu abonnieren oder ihm auf Twitter zu folgen.

Es lohnt sich!

agile journal

agile_journalAgile Prinzipien, Vorgehensweisen und Methoden werden in den nächsten Jahren das Projektmanagement revolutionieren – davon bin ich überzeugt. Bislang wird Agiles Projektmanagement vornehmlich im Bereich der Softwareentwicklung praktiziert. Über kurz oder lang wird es aber auch in vielen weiteren Bereichen Anwendung finden – beispielsweise in der Produktentwicklung oder auch im Bereich kundenspezifischer Projekte (= Kundenprojekte).

Heute bin ich aus Zufall auf das „agile journal

Lessons Learned & Retrospektive

retrospektive_webIn jedem Lehrbuch steht es, und auch unser Hausverstand würde es uns eigentlich sagen: Spätestens am Ende eines Projekts ist eine gemeinsame Retrospektive des Projektverlaufs nötig – häufig als Lessons Learned bezeichnet.

Zu diesem Thema wurde ich via Twitter (@thepmp) auf eine sehr interessante Seite aufmerksam gemacht: AGILE RETROSPECTIVE RESOURCE WIKI.

Das Wiki enthält diverse Methoden (retrospective plans) zur effektiven Durchführung von Lessons Learned. Gute Impulse!

Ist Management „tot“?

Kaum ein Beitrag hat in den letzten Jahren auf diesem Blog eine intensivere Diskussion ausgelöst als „Was ist Management?“.

Ich habe mich in dem Beitrag (wie vorher auch schon) offen als Befürworter einer modernen, integrierten und ganzheitlichen Managementlehre „ge-outet“. Meine Haltung und mein Verständnis zu diesem Thema wurde einerseits durch meine persönlichen Erfahrungen geprägt, und andererseits durch die Auseinandersetzung mit den Werken der großen Management-Denker wie Peter F. Drucker, Tom Peters, Michael Hammer, Gary Hamel oder auch die Beiträge im Kontext der „St. Galler Managementlehre“ von Ulrich, Krieg, Malik, Gomez, Probst, Rüegg-Stürm, Schwaninger etc.

Zu meinem persönlichen Erfahrungshintergrund möchte ich ergänzen, dass ich seit meiner Jugend über 10 Jahre hinweg im elterlichen Textilbetrieb mitgearbeitet habe. Diese „unternehmerischen“ Erfahrungen haben mich auch auf meinem späteren Weg geprägt. Im Kontext meines Verständnisses von „Management“ haben sie dazu beigetragen, dass ich diesen Begriff mit der unternehmerisch geprägten, werteorientierten Führung, Koordination und Gestaltung von Organisationen verbinde. Gutes, effektives und menschenwürdiges Management ist folglich für mich etwas Positives. Und dafür trete ich ein.

Trotzdem hat der kritische Diskurs natürlich viele Fragen aufgeworfen. Wie u.a.:

  • Ist Management tatsächlich „tot“? Muss der Managementbegriff eliminiert werden?
  • Wenn ja, welche schlüssigen Alternativkonzepte gibt es?
  • Brauchen Organisationen überhaupt etwas wie „Management“? Oder können sie sich selbst managen?
  • Liegen die „Management-Gurus“ der letzten Jahre und Jahrzehnte mit ihren Konzepten vollkommen daneben? Muss Management (oder sein Nachfolger) wirklich völlig neu gedacht und konzipiert werden?

Bezugnehmend auf die letzte Frage in dieser beispielhaften Aufzählung meine ich zum jetzigen Zeitpunkt: NEIN. Ich glaube nämlich immer noch nicht, dass die gemeinhin akzeptierte Management-Theorie völlig falsch ist – sehr wohl aber in vielen Punkte entwicklungs- und verbesserungswürdig (wie alles im Leben). Oder wie es Gary Hamel häufig formuliert: „We must re-invent management.“

Eine Frage drängt sich aber immer stärker auf:

Warum erleben wir so wenig „gute Theorie“ in der Praxis? Haben wir ein Erkenntnisdefizit oder haben wir nicht vielmehr ein Transfer- und Umsetzungsdefizit?

Wenn wir dann zum Schluss kommen, dass Management „tot“ ist und dass es ersetzt werden muss, dann soll’s mir auch recht sein. Denn in zumindest einem Punkt gebe ich allen Management-Kritikern völlig recht: WIR HABEN EIN ECHTES PRAXISPROBLEM IM MANAGEMENT!

Die Erfahrungsfalle – Warum Projektmanager aus Erfahrungen nicht lernen.

erfahrungsfalleMein Kollege Hanno Rhomberg hat mir heute früh einen überaus spannenden Artikel aus der November-Ausgabe des Harvard Business Review (HBR) geschickt: Die Erfahrungsfalle“ von Kishore Sengupta und Tarek K. Abdel-Hamid und Luk N. Van Wassenhove (Teil 1, Teil 2)

Die Autoren haben ein umfangreiches Experiment mit Hunderten von Führungskräften durchgeführt. Ziel war es aufzuzeigen, warum Projekte (insbesondere IT und Softwareentwicklungsprojekte) immer wieder aus dem Ruder laufen. Einige Auszüge aus dem Artikel:

  • „Offenbar haben sie [die Projektmanager] bei neuen Entscheidungen nicht die Konsequenzen früherer Entscheidungen berücksichtigt, und auch nach schlechten Ergebnissen änderten sie häufig nichts an ihrem Vorgehen.“
  • „Wer eine Entscheidung trifft, stützt sich auf sein vorhandenes Wissen, in der Wissenschaft als mentales Modell bezeichnet. Mentale Modelle bestehen größtenteils aus Annahmen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen zur Umwelt.“
  • „In der Praxis treten Ursache und Wirkung zeitversetzt auf, und es ist mitunter schwierig, sie miteinander in Verbindung zu bringen.“
  • „Offenbar waren sie [die Projektmanager] nicht in der Lage, die Auswirkungen von Verzögerungen bei ihrer Planung zu berücksichtigen.“

Der Artikel zeigt wissenschaftlich fundiert und wirklich eindrucksvoll auf, wo aus meiner ein echtes praktisches Problem besteht: Gerade sehr erfahrene (Projekt)Manager/innen stützen sich in ihrem Entscheidungsverhalten primär auf ihre jahrelange Erfahrung. Dadurch ist ihr Verhalten auch häufig intuitiv geprägt. Intuition und erfahrungsbasiertes Verhalten ist grundsätzlich nichts Schlechtes, sondern – wie es Prof. Dr. Kruse in diesem Video formuliert hat (sinngemäß;im letzten Drittel des Videos) – die wirkungsvollste Strategie im Umgang mit komplexen Problemen. ABER: Intuition wird in Situationen ausgebildet, in denen Menschen am Rande der Überforderung stehen (in Projekten also praktisch permanent). Folgende Fragen drängen sich auf:

  1. Ist die aktuelle Situation noch vergleichbar mit jenen, in denen die früheren Erfahrungen gemacht wurden (und somit die Intuition ausgebildet wurde).
  2. Haben wir aus unseren früheren Erfahrungen überhaupt GELERNT? Haben wir die Erfahrungen kritisch reflektiert und daraus die richtigen Schlüsse abgeleitet?

Die erste Frage wird im oben genannten Kruse-Video thematisiert. Die zweite Frage im Harvard Business Review Artikel vom Sengupta/Abdel-Hamid/Van Wassenhove.

Gut, das Problem ist einigermaßen umrissen. Aber wie könnten Lösungsansätze aussehen (siehe hierzu auch den HBR Artikel)?

  • Mehr kognitives Feedback erteilen – Feedback über Projektergebnisse
  • Besseres Verständnis über die Gesamtsituation gewinnen –> modellbasiert entscheiden (Ich persönlich verwende hierzu den Consideo Modeler oder auch einfache MindMaps – siehe hierzu auch diesen kontrovers diskutierten Blogbeitrag)
  • Verhaltensziele statt quantitativer Vorgaben (geht vom Prinzip her auch in Richtung des Agilen Manifests)
  • Projektsimulatoren entwickeln
  • Effektivere Projektinitiierungs- und -planungsphasen

Fazit: Ich würde Euch wirklich empfehlen, 10 Minuten Eurer Zeit in den HBR Artikel zu investieren.