Agiles oder klassisches Projektmanagement? Oder eine Kombination?

Oliver Fischer (Bild, Software Engineering Blog) hat mich auf eine Projektmanagement Studie von „oose. Innovative Informatik“ aufmerksam gemacht. Ich kenne oose schon länger und bin davon überzeugt, dass es sich hier um ein überaus innovatives, erfolgreiches und gut geführtes Unternehmen handelt. Aber das nur nebenbei…

Einleitend möchte ich festhalten, dass die Unsitte seit einiger Zeit um sich gegriffen hat, in jeder zweiten Pressemeldung eine ach so wichtige und aussagekräftige „Studie“ anzukündigen. Ein großer Teil dieser „Studien“ wurde aber auch nicht annähernd nach den Qualitätskriterien einer empirischen Untersuchung erstellt. NICHT SO IN DIESEM FALL.

Für die Qualität und Aussagekraft der vorliegenden Untersuchung spricht aus meiner Sicht, dass

  • die Studie von einem sehr professionellen und vertrauenswürdigen Unternehmen erstellt wurde,
  • das empirische Vorgehen transparent dargelegt wird,
  • dieses Vorgehen fundiert und gut durchdacht erscheint und
  • dass aufgrund der Unterstützung durch große PM Institutionen vermutet werden kann, dass der Zugang zu Unternehmen gelegt werden konnte, die zu dem Thema „auch wirklich etwas zu sagen haben“.

Darüber hinaus wurde aus den 212 eingereichten Fragebögen nach einer durchlaufenen Plausibilitätsprüfung nur 130 für die Ergebnisauswertung heran gezogen.

Nun aber zu den Zielen und Ergebnissen der Studie. Folgende Zielsetzungen wurden am Beginn formuliert:

1) Gibt es signifikante Unterschiede darin, wie klassische und agile Projekte arbeiten?

2) Was können agile und klassische Projekte voneinander lernen?

3) Welche Verfahren tragen zum Projekterfolg bei?

Das zentrale Ergebnis, das in der Fachwelt gerne ausgiebig diskutiert und kritisch hinterfragt werden darf und soll: AGILE PROJEKTE SIND SIGNIFIKANT ERFOLGREICHER ALS KLASSISCHE PROJEKTE!

Mir erscheint wesentlich, dass laut oose nicht das gewählte agile Vorgehensmodell erfolgsentscheidend ist, sondern die Art und Intensität der Kommunikation zwischen Kunden und Entwickler-Teams. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass hier der wirkliche Schlüssel zu hocheffektiven und selbstorganisierten Projektteams liegt. Oder in der Terminologie des agilen Manifests:

INDIVIDUALS AND INTERACTIONS over processes and tools.

That’s the key. For sure!

DOWNLOAD: Hier könnt Ihr die Studienergebnisse direkt bei oose herunter laden.

7 Gedanken zu „Agiles oder klassisches Projektmanagement? Oder eine Kombination?“

  1. Meinen Erfahrungen nach ist auch die Kommunikation im Projekt entscheidend. Ob sich eine gute Kommunikation entwickeln kann, hängt stark von den grundsätzlichen Werten ab, die die Projektbeteiligten teilen. Diese Wertediskussion ist ein wichtiger Bestandteil von agilen Prozesse.

    Ohne Werte wie Offenheit, Fokussierung, Committment, Mut und Vertrauen kann eine enge Interaktion zwischen den Projektbeteiligten nur schwer gelingen.

    Fehlt Vertrauen und Offenheit, dann werden Dokumente und Prozesse wichtig. Dies ist jedoch bereits ein Indiz, dass das Projekt scheitert. Wenn dann schließlich die Verträge geprüft und genau interpretiert werden müssen, dann kann man das Projekt im Allgemeinen als gescheitert betrachten und man arbeitet bereits an Schadensbegrenzung.

  2. Also ich kann nicht wirklich erkennen, in wie weit die Statistik auch nur einen deut ‚wissenschaftlicher‘ sein sollte, als das übliche Zahlengemenge.

    Dazu ein paar einzelne Punkte:

    – Das ein Unternehmen professionell ist, ist eine Tautologie sonst wäre es ein Verein oder sowas. Das sind die Verbieger von anderen Statistiken auch. Das Problem ist, das OOSE Beratungen verkauft, und natürlich ein finanzielles Interesse daran hat, dass die Ergebnisse der Studie zu den Aussagen der Berater passen.

    – Das empirische Vorgehen erscheint mir überhaupt nicht transparent. Wie wurden die Teilnehmer ausgewählt. Kannten die den Auftraggeber? Die Ziele der Studie? Die Ziele des Auftraggebers? Wurden die Hypothesen geprüft, zum Beispiel, in dem sie aus einer Teilmenge der Daten ermittelt und dann gegen den Rest geprüft wurden? Welche genauen Fragen wurden gestellt? Vielleicht habe ich ja die falschen Dokumente gewählt, aber ich hab zu diesen und ähnlichen Fragen wenige, bis keine Informationen gefunden

    – Ich habe daher keinerlei Veranlassung zu vermuten, dass das Vorgehen als fundiert oder gar gut durchdacht gelten könnte.

    – von 212 nur 130 zu verwerten, bedeutet entweder, dass dies die einzigen waren, die zu dem gewünschten Ergebnis passten, oder dass die Fragebögen im großen und ganzen unbrauchbar waren. Ein Wissenschaftler hätte an dieser stelle gesagt, sorry ich habe es verbockt. Ein verzweifelter Diplomant hätte erläutert, nach welchen Kriterien er gefiltert hat, aber über ein Drittel der Messwerte einfach so zu streichen ist bestimmt kein Qualitätsmerkmal.

    Nun zu den Ergebnissen: Überraschung Kommunikation bzw. agiles Vorgehn ist gut für das Projekt. Die meisten Leser dieses Blogs (mich eingeschlossen) halten dies für hochgradig plausibel. Aber liegt es wirklich an der eingesetzten Methode? Oder vielleicht daran, dass diejenigen die solche Methoden einsetzen oft diejenigen sind, die sich intensiv mit der Problematik auseinander setzen? Oder liegt es daran, dass die agilen Projekte kleiner waren? Schade um die Chance diese und ähnliche Fragen zu beantworten.

    Aber man soll ja auch eine verpfuschte Statistik nutzen um zu lernen. Die Lehre für heute:

    Eine Studie zu machen, die diesen Titel verdient ist schwierig. Eine schlechte Studie zu erkennen einfach, wenn man nur ein wenig kritisch hinschaut.

    Gruß
    Jens

  3. @Felix: Ich stimme Dir zu. Die Werte, die Du beschreibst, sind häufig Teil der Unternehmenskultur – oder eben nicht. Und bei Projekten kommt erschwerend dazu, dass gerade bei Kundenprojekten oder Projekten mit sonstigen externen Stakeholdern häufig mind. 2 „Kulturen“ aufeinander prallen. Und damit agiles Projektmanagement funktioniert, müssen sich alle Partner zu den genannten Werten bekennen und danach handeln. In der Praxis sind wir leider häufig noch weit davon entfernt.

    @Jens: Grundsätzlich stimme ich Dir zu, dass die veröffentlichten Informationen keine detaillierten Informationen enthalten, aus denen man tatsächlich auf die Wissenschaftlichkeit der Untersuchung und damit die Plausibilität der Ergebnisse schließen könnte.

    Auch mit der Professionalität hast Du recht, wenn man den Begriff ganz exakt definiert. Ich hab’s hier so gemeint, dass eben leider im professionellen Markt auch häufig Dilettanten am Werk sind. Und im genannten Fall bin ich der Überzeugung, dass es nicht so ist.

    Ich denke, im Kern sind wir in einem erkenntnistheoretischen Problem gefangen. Denn mit welchen Methoden oder mit welchem Vorgehen lässt sich den WIRKLICH nachweisen, dass die Ergebnisse „der Realität entsprechen“ bzw. nahe an der Wirklichkeit sind? Und: Sind „hochwissenschaftliche“ Studien wirklich aussagekräftiger und „richtiger“? Ich denke nicht. Vielmehr glaube ich in diesem speziellen Fall an die „intersubjektive“ Verifizierung. Konkret: Wenn die Ergebnisse den Praktikern schlüssig und logisch erscheint, wird wahrscheinlich was dran sein.

    Fazit: Wir sind uns einig, dass „Studien“ kritisch zu hinterfragen sind. Wenn sie aber den Zweck erfüllen, dass Menschen die jeweiligen Inhalte und Ergebnisse dadurch kritisch miteinander diskutieren, so ist dies ein sinnvoller Zweck.

    Was in jedem Fall abzulehnen ist, wenn durch Studienergebnisse die Illusion einer ultimativen „Wahrheit“ erzeugt wird. Denn gerade in unserer nach wie vor naturwissenschaftlich geprägten Geschäftswelt ist dies doch häufig an der Tagesordnung. Oder anders formuliert: Man traut häufig Zahlen mehr als dem gesunden Menschenverstand.

  4. Das mechanistische Projektmanagement unterstellt, dass die einfachste Form von Komplexitätsreduktion funktioniert: Man baut sich sein Maschine-Modell und geht stillschweigend davon aus, alle Vorgänge seien linear und bis in eine beliebige Zukunft aneinanderreihbar. Insofern kann man exakt sagen, was in drei Monaten sein wird – wenn man an seinen Plan glaubt.

    Und das tun die Projektleute an der Basis nur zu oft. Sie halten ihren Plan für die Wahrheit. Und sind irritiert, wenn sich die Wirklichkeit dann nicht so verhält, wie sie sie mittels mathematischer Modelle und ingenieurtechnischer Extrapolationen beschrieben haben.
    Aber erst ein Projektmanagement jenseits der Planwirtschaft macht doch Laune: Unentscheidbare Entscheidungen treffen, neue Alternativen kennen lernen und manchmal auch überrascht werden….

  5. Viele Fragezeichen zum Thema Projekt Management. Ich untersuche gerade im Auftrag folgende Themen: PM (PMI, IPMA), PRINCE2, SCRUM. Allen liegt eine strukturiertes Vorgehensmodell zu Grunde. Bei allen Programmen hat man auf den ersten Blick den Eindruck es ist etwas komplett Neues entstanden. Dem ist nicht so. Fakt ist, dass der anwendende PM und sein Team für den Erfolg eines Projektes verantwortlich ist, unabhängig vom Modell welches angewendet wird. Ein Modell ersetzt nicht das Können eines PM. Die Ziele: In Target, in Time, in Budget kann ich mit jedem Modell erreichen, solange ich als PM die notwendigen Prozesse lebe und mit meinem Team umsetze. Bereits vor 30 Jahren haben wir erfolgreich Projekte geleitet und umgesetzt, die Anzahl der Schlagworte war zu diesem Zeitpunkt erheblich geringer :-).

  6. Hi, als ein Mitarbeiter von oose möchte ich gerne kurz auf Herrn Schauder eingehen und versuchen unsere Motivation zur Durchführung der Studie darzustellen und vielleicht auch noch ein paar Antworten beizusteuern.

    Unsere Motivation:
    Ohne Frage haben wir als Beratungs- und Trainingshaus ein Interesse an den Ergebnissen der Studie. Da das aber auch für jeden Universitätsprofessor gelten wird, ist es vermutlich hilfreich unsere Motivation für die Durchführung besser zu verstehen.

    Unser Eigenanspruch ist es, nicht einfach blind einem Glauben (Agil, klassisch, lean) zu folgen, sonder die Funktion der jeweiligen Methoden zu hinterfragen und damit individuell passende Lösungen zu finden.

    Auslöser für die Studie war, das wir gemerkt haben, dass viele Diskussionen komplett im luftleeren Raum geführt werden. Kommunikation ist hilfreich, fein, aber worüber genau kommunizieren und wie oft? Retrospektive helfen, aber wann, wie häufig und was muss außerdem da sein? Wer hat Daten?

    Wir würden gerne wegkommen von allgemeinen Wertaussagen über Vorgehensmodelle und hin dazu, dass wir sagen können: „Die folgenden Faktoren, entweder kombiniert oder auch unabhängig von Anderen, finden sich in vielen erfolgreichen Projekten und werden in nicht erfolgreichen Projekten auch nur selten eingesetzt. Es lohnt sich diese einmal genauer anzuschauen und sich zu fragen, wie ich diesen Faktoren in meinem Projekt mehr Gewicht verleihen kann.“ Und das unabhängig davon ob Scrum, agil, V-Modell, PMI, etc. auf dem Projekt draufsteht.

    In Summe gibt es wenig was wir gerne bestätigen wollen, aber vieles was wir in seiner Funktionsweise hinterfragen möchten.

    Zahlen und Fakten:
    Die recht hohe Zahl, der aussortierten Fragebögen ergibt sich aus der offenen Onlineumfrage als Umfrageform. Der Artikel im Objektspektrum erläutert die entsprechenden Kriterien. Der Aufruf zu Teilnahme erfolgte in Print-Medien und online sowie auch über interne Verteiler von PMI und GPM, „ohne spezielles Verhältnis zu oose“.
    Beispiele zu den Fragen finden sich in den Vorträgen.
    Erläuterung zu Auswertungstechnik und Signifikanz der Aussagen haben wir bisher nur bei Inhouse-Präsentation gezeigt und werden wir noch mal mit auf die Webseite stellen.

    Zur Arbeit mit den Ergebnissen:
    Die Arbeit mit einer so umfangreichen Datenmenge ist natürlich nicht einfach und wir sind froh einen erfahrenen Statistiker für die Auswertung mit an Bord zu haben, der uns vor vorschnellen Schlüssen bewahrt.
    Der Punkt, dass wir Kommunikation als Erfolgsfaktor alle für plausibel halten, es aber keine Zahlen gibt war ein Auslöser der Studie.
    Um konkret zu Antworten: Die Studie gibt eine statistische Momentaufnahme, wer jetzt auf Kommunikation setzt und dabei bestimmte Themen (Prioritäten, Umgang mit Fehlern) bedient ist erfolgreicher. Wer das in Zukunft tun will, tut gut daran sich zu Fragen was er denn da tut. Die Studie weist einen Weg, womit er sich beschäftigen könnte.
    Die agilen Projekte waren nicht kleiner (siehe Folien des Abendvortrags).

    Im Kern bleibt wohl die Frage, wie gehe ich mit einer Studie um, welche ich nicht vollständig kenne und die ich nicht selbst erstellt habe. Aus meiner „professionellen“ Sicht, als Anstoß nehmen mal eine andere Perspektive einzunehmen, Fragen zu stellen und gerne mit in den Dialog einzusteigen.

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