In den meisten Unternehmen herrscht nach wie vor eine funktional-hierarchische Organisationsstruktur vor – oder zumindest dominiert diese Strukturierungsform. Bereiche, Abteilungen und Stellen gehören wie selbstverständlich zum Unternehmen.
Projektteams setzen sich zumeist aus Mitarbeiter/innen verschiedener Bereiche oder Abteilungen zusammen. Entsprechend sind auch mehrere Linienvorgesetzte direkt oder indirekt involviert. Meine These: Diese Führungskräfte tragen erheblich zum Gelingen von Projekten bei, doch häufig fehlt es gerade auf dieser Ebene an PM-Verständnis.
Mit der aktuellen Blitzumfrage wollte ich wissen, ob sich diese These mit Euren praktischen Erfahrungen deckt. Hier das Zwischenergebnis nach 58 Rückmeldungen:

Es ist nicht wirklich überraschend, dass lediglich ca. 19 % der Befragten das Verhalten der Führungskräfte in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit Projektmanagement als gut oder sehr gut einschätzen. In der überwiegenden Anzahl der Unternehmen wird das Verhalten als „mittelmäßig“ eingeschätzt bzw. es sind große Unterschiede im Führungsverhalten vorhanden. In meines Erachtens alarmierenden 34 % der Fälle scheint das Management den Erfolg von Projekten jedoch durch sein Verhalten unmittelbar zu gefährden und negativ zu beeinflussen.
Was sind typische Beispiele von fehlerhaftem Verhalten in der Linie?
- Unklare Aufträge, kaum klare Zielvorgaben.
- Die Projektteams werden direkt oder indirekt gezwungen, den Best-Case zu planen. Wenn dieser dann nicht eintritt, wird das Team oder der/die Leiter/in verantwortlich gemacht.
- Machtspiele und Zielkonflikte werden auf dem Rücken der Projektleiter/innen ausgetragen.
- Es werden viel zu viele Projekte gleichzeitig durchgeführt.
- Die Ressourcen werden bewusst permanent überlastet.
- Teammitglieder werden für das Projekt nicht ausreichend von den Linientätigkeiten freigestellt.
- Die Verantwortung für den Projekterfolg wird dem/der Projektleiter/in übertragen. Gleichzeitig haben diese aber kaum Entscheidungskompetenz.
- Notwendige Entscheidungen werden nicht oder zu spät getroffen.
- Es wird ein übertriebenes Berichtswesen und Projektcontrolling eingefordert.
- Inhalte und Ziele werden laufend geändert, ohne die Termin- und Budgetziele entsprechend anzupassen.
- Die Projektteams werden direkt oder indirekt gezwungen, den Best-Case zu planen. Wenn dieser dann nicht eintritt, wird das Team oder der/die Leiter/in verantwortlich gemacht.
- …
Die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen.
Lösungsansätze? Mir fallen spontan 3 wichtige Punkte ein:
- Bei abteilungs- und bereichsübergreifenden Projekten beauftragt das Top-Management das Projektteam. Abteilungskonflikte und mangelhaftes Führungsverhalten in der Linie muss von hier gesteuert werden (durch aktives Vorleben, einfordern, negative Auswirkungen aufzeigen…).
- Die beteiligten Führungskräfte sollten insbesondere während der Initiierung und Planung von Projekten eingebunden werden (oder zumindest müssen sie gut informiert sein).
- Das Linien-Management gibt zwar Ziele und Rahmenbedingungen vor, es „funkt“ aber nicht ständig ins Projekt. Das Projektteam sollte selbstverantwortlich agieren können – unter Einhaltung der gemeinsam vereinbarten Spielregeln (wie ausreichendes Reporting…).
Fallen Euch weitere Punkte ein?
Hallo Stephan,
vielen Dank für die Anregungen.
Ein wesentlicher Punkt um die Unterstützung der Linie zu sichern ist aus meiner Sicht das Schaffen von Vertrauen in Projektleiter und -team.
Hierbei sind vorallem soziale Fähigkeiten gefragt – Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und Erwartungsmanagement.
Gelegentlich ergibt sich daraus die Möglichkeit, die Linienführungskraft in die Projektarbeit einzubeziehen und so zur Unterstützung zu motivieren.
Desweiteren können so auch die Zuständigkeiten explizit definiert werden, die oft nur als nebulöse Vorstellung durch den Raum geistern.
Bei der Fülle an Projekten, die heutzutage bearbeitet werden ist das jedoch nicht immer einfach. Oft scheitert es einfach daran, dass die Linienmanager gar nicht die Zeit haben, sich mit einem bestimmten Projekt zu beschäftigen.
Eine grundsätzliche Beauftragung von Projekten durch das Top Management ist bei großen Konzernen quasi unmöglich, auch wenn es wünschenswert wäre.
viele Grüße,
Docster
Ich kann einen Link beisteuern:
http://www.org-portal.org/fileadmin/media/upload/645807bd06_19__effektive_Rollen_im_Projekt_MQ.pdf
Vlt hilft er ja beim Finden von Lösungsansätzen 🙂
Grüsse und einen schönen 1ten Mai!
hallo, Herr Hagen,
ein heißes Thema, obwohl es schon ewig existiert, ist es wichtig, den Diskurs darüber am Leben zu erhalten. Deshalb Danke für Ihren Anstoß. Wenn ich mit etwas Distanz auf das Thema schaue, also den Einfluss von Projektegröße, Projektleiterkompetenz, Kunden- oder internes Projekt, involvierte Unternehmensbereiche u.a.m. vernachlässige, erscheint es mir im Kern ein Machtspiel zu sein. Die Macht wird halt traditionell durch die Linienorganisation repräsentiert. In der Hierarchie ist Macht formal organisiert und dokumentiert. Dass PM inzwischen sich von bloßer Aufgaben organisation zu einem Führungs- und Steuerungssystem der Unternehmensentwicklung gemausert hat, wird nicht gesehen, unterschätzt vielleicht auch bewusst verdrängt. Gerade bei Projekten mit ihrer Zukunftsorientierung und Unbestimmtheit regt sich das Kontrollbedürfnis der Linie, was zum Teil zu massiven Interventionen in das Projektgeschenen führt. Ich meine aber, man zielt zu kurz, wenn man sich auf die Linie konzentriert, um etwas zu verändern. Ich betrachte es als ein Beziehungsthema. Es wäre schon ein großer Schritt getan, wenn Projektleiter nicht nur nach fachlicher Qualifikation ausgewählt würden, sondern auch nach Führungskompetenzen. Ich glaube in vielen Unternehmen liegt hier der Hase im Pfeffer. Es mangelt an der Einsicht, dass Projektleiter Führungskräfte auf Zeit sind (bei entspr. Projektgröße, strategischer Relevanz usw). Erst diese Einsicht auf oberer Führungsebene und die daraus resultierende Direktive an die Personalentwicklung bilden die Voraussetzung für eine gezielte Kompetenzentwicklung. Projektleiter müssen dahin entwickelt werden, dass sie mit Linienführungskräften auf Augenhöhe kommunizieren können. Das ist ein starker Hebel.
Viele Grüße
Peter Ueberfeldt
Hallo Stephan
vielen Dank, dass Du das Thema aufnimmst. Ich möchte eine etwas andere Sichtweise beisteuern (nachdem Du Watzlawick auf Deiner Seite einbindest, passt das ganz gut):
Meiner Erfahrung nach dürfen Projektleiter die „Schuld“ für ein unpassendes Verhalten nicht einseitig beim Linienmanagement suchen. Damit würden Sie lediglich beginnen, Fronten aufzubauen.
Effektiver ist es, Verhalten des Linienmanagements zu untersuchen und sich die Frage zu stellen, welche Erwartungen und Bedürfnisse sich dahinter verbergen könnten (z.B. so: http://www.vedanova.de/als-projektleiter-unterstutzer-gewinnen/ ).
Mit diesem neuen Wissen können Sie bewusster auf das Linienmanagement eingehen und die betreffenden Personen „führen“. Einen schönen Artikel dazu habe ich auf sueddeutsche.de gefunden: http://www.sueddeutsche.de/wissen/510/301507/text/
Viele Grüße und mach weiter in der gewohnten Qualität!
Jürgen