Ein Themenwunsch für PROJEKTMANAGMENT TV, der mehrmals geäußert wurde, war „Agiles Projektmanagement“. Deshalb haben Bas de Baar und ich vor einigen Wochen hierzu ein kurzes Gespräch geführt.
In dem Gespräch konnten wir das Thema nur „anreißen“:
- Was ist agiles Projektmanagement? –> weitere Infos: Wikipedia Artikel | Agiles Manifest | Leseprobe: APM – Agiles Projektmanagement (PDF)
- Anwendungsbereiche agiler Vorgehensmodelle –> Kann APM auch in Projekten außerhalb der Softwareentwicklung angewendet werden?
- Erfolgsfaktoren
Eine der besten grafischen Darstellungen, warum agile Vorgehensweisen in Projekten Sinn machen könnten, stammt aus dem Buch „APM – Agiles Projektmanagement“ von Bernd Oestereich und Christian Weiss:

Im Zentrum agiler PM Ansätze steht die Annahme, dass komplexe Projekte nicht vollständig geplant werden können. Vielmehr entstehen während eines gesamten Projekts neue Erkenntnisse, die in das Management und die Abwicklung einfließen sollten. Die anfangs große „Wolke“, was das Ziel des Projekts sein soll, wird immer kleiner – der Nebel verzieht sich.
Dies heißt aber keineswegs, dass in agilen Projekten nicht geplant wird. Natürlich wird auch hier versucht, von Beginn an möglichst klare Ziele und Rahmenbedingungen zu definieren. Allerdings soll bürokratische, starre und unrealistische Planung so weit wie möglich vermieden werden. An ihre Stelle treten intensive, kontinuierliche Kommunikation zwischen ALLEN Beteiligten und das Prinzip, das „große“ Projektergebnis in einzelne, funktionsfähige Zwischenergebnisse zu unterteilen.
Wird sich agiles Projektmanagement durchsetzen? Ja, in vielen Bereichen schon. In gewissen Bereichen werden aber meines Erachtens klassische Planungsansätze weiterhin dominierend sein – z.B. in der Bauindustrie.
Noch ein letzter Gedanke: Ich denke, dass agiles Projektmanagement im Kern nichts Anderes ist als die Übertragung eines modernen Management- und Führungsverständnisses auf Projekte. Denn auch abseits von Projekten wird erkannt, dass
- Menschen keine „Maschinen“ sind,
- das Wissen im Team verborgen ist und nicht im Management,
- soziale Systeme sich so weit wie möglich selbst organisieren müssen oder
- vertrauensvolle und offensive Kommunikation und Vernetzung aller Beteiligten einen Schlüssel zur Lösung komplexer Probleme darstellt.
Und noch ein allerletzter Gedanke: Wir sollten versuchen, klassische und agile Vorgehensweisen und Methoden sinnvoll miteinander zu kombinieren – zu integrieren. Wir brauchen ein integriertes Verständnis im Management – auch im Projektmanagement. (siehe hierzu auch den Blogpost „Integriertes Projektmanagement„).
Zunächst mal herzlichen Glückwunsch zur 4. Folge des PM-TV! Wieder ein sehr interessantes Thema, wenngleich ich mit den Einschränkungen im Baubereich nicht konform gehe. Meiner Meinung nach sind agile Methoden, insbesondere SCRUM, sehr wohl für Bauprojekte geeignet, wenn man das „fertige Produkt“ entsprechend angepasst an die iterative Planung abstrahiert wird. D.h. es wird nach einem Sprint nicht ein 1:1-Modell des Bauwerks errichtet (wäre ja in der Tat unmöglich ;-)), sondern im Idealfall eine Planungsphase (z.B. die Entwurfsplanung) abgeschlossen. Dies ermöglicht eine effizientere und evtl. auch raschere Planung. In der Bauausführungsphase gebe ich Euch derzeit noch recht, da fehlt mir auch ein wenig die Phantasie für die sinnvolle Anwendung agiler PM-Ansätze.
Beste Grüße,
Thomas
@Thomas: Danke für diese Ergänzung. Ich hatte gehofft, dass Du Deine Erfahrung im Bau-Projektmanagement in diesem Punkt mit uns teilst!
Was mir noch nicht ganz klar ist: War es nicht schon immer so, dass bei großen Bauvorhaben die Planung in Iterationen vollzogen wurde? Ist das wirklich etwas Neues?
Und: Kann man davon sprechen, dass agile Prinzipien und Verfahren im Bau-Projektmanagement angewendet werden, wenn sie de facto nur bei der Planung, nicht aber bei der konkreten Umsetzung eines Vorhabens zum Einsatz kommen?
@Stefan: Würde ich mit ja beantworten. Dass die Planung, insbesondere von großen und komplexen (Hoch)Bauprojekten immmer schon als iterativer Prozess abgelaufen ist, ist eigentlich nichts Neues. Man iteriert innerhalb einer Planungsphase in so genannten Schleifen bzw. von Planungsphase zu Planungsphase … d.h. dass in der Entwurfsphase die Ergebnisse des Vorentwurfes detaillierter geplant werden usw.
Hier lassen sich die agilen Prinzipien und Ansätze meiner Meinung nach wunderbar für eine effizientere und raschere Planung einsetzen, was natürlich zu einer Zeitersparnis im Gesamtterminplan eines Projektes führen kann. Ich habe dazu auch auf meinem Blog schon mal versucht, das Thema ein wenig abzustecken … (http://www.bpm-blog.at/2010/06/21/agiles-bauprojektmanagement)
In der Ausführungsphase können agile Methoden m.E. wiederum „nur“ in der baubegleitenden Ausführungsplanung angewendet werden. Vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, agile Methoden in das PM der bauausführenden Unternehmen einzubauen, das kann ich aber derzeit noch nicht beurteilen. Mein Blickwinkel des Bauprojektmanagements ist immer jener des Bauherren/Projektauftraggebers resp. der Planer.
Auch von meiner Seite: schön, dass das Thema agiles PM hier Einzug gefunden hat! Insbesondere die Aussage, dass die Unternehmens- und Führungskultur eine wesentliche Rolle beim erfolgreichen Einsatz agiler Methoden spielt kann ich aus der Erfahrung mehrerer Scrum Einführungen teilen.
ad Baubranche: eine ähnliche Diskussion, nämlich inwieweit lässt sich auch „hardware“ agil bzw. iterativ entwickeln, wurde auch mit der (japanischen) Automobilindustrie geführt -dein Dialog der auch interessante Anregungen für agile Softwareentwicklungsprojekte hatte (z.B. http://www.infoq.com/articles/agile-kanban-boards)
Ein Thema wurde hier allerdings nur kurz angerissen: die Verbindung von agilen mit „klassischen“ Projektmanagementmethoden. Nahe liegender Weise etwas das fast alle Unternehmen brauchen die agile Methoden einsetzen: schliesslich liefert Scrum, XP oder Testdriven development für viele Bedürfnisse einer Organisation wenig oder keine Antworten. Nichtsdestotrotz scheinen die agilen und klassischen PM communities nach wie vor ein bisserl wie fremde gallische Dörfer zu sein die sich argwöhnisch gegenseitig über den Zaun beäugen. Ja, es gibt Unternehmen die CMMI und agile Methoden verbinden, und es gibt auch z.B: ein Mapping der PMI Standards auf Scrum. Aber ich kenne wenig Material das eine praktische Erfahrung liefert wie man agile Methoden in größere Projektportfolios integriert. Dabei liegt dort wohl ein wesentlicher Schlüssel agile Methoden in größeren Organisationen einzusetzen. Mehr zu der Frage dazu auch unter http://p-a-m.org/2010/01/dialogue-on-agile-project-management/
Comments welcome:)