Zukunft-Innovation ist eine Initiative von 3M. Blögger, ein originelles Portal österreichischer Blogger, unterstützt die Initiative mit einer Blogparade. Da wollte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, an der Blogparade teilzunehmen und die Initiative auf diese Art und Weise zu unterstützen. Ich habe meine Gedanken zu dem Thema in Form von 10 Hypothesen formuliert.
Innovative Unternehmen sind lebendige, lernende soziale Systeme
Ich möchte mit einem ganz einfachen aber sehr grundsätzlichen Gedanken beginnen: Unternehmen sind soziale Systeme. Als solche können sie nur überleben, wenn sie im Austausch mit ihrer Umwelt etwas schaffen, was für diese „von Wert“ ist. Da sich die Umwelt aber laufend verändert, müssen sich natürlich auch Unternehmen diesen Veränderungen anpassen – evolutionär oder auch radikal. Das ist es, was wir im weiteren Sinne als „Innovation“ bezeichnen.
Komplexe Umwelten
Wie können Unternehmen nun aber sicher stellen, dass sie innovativ sind und bleiben? Auf diese einfache Antwort gibt es selbstverständlich keine triviale Antwort. Denn als soziale Systeme sind Unternehmen komplex, und vor allem ist auch die Umwelt, in der sich Unternehmen bewegen, in zunehmendem Maße komplex. Innovation muss sich dieser Komplexität und Vielfalt stellen und lernen, mit ihr umzugehen.
HYPOTHESE 1) Innovative Unternehmen verfügen über vielfältige sensorische Elemente und Instrumente, die es ihnen ermöglichen, Entwicklungen in ihrer Umwelt wahrzunehmen, zu interpretieren, zu prognostizieren und sich mit ihnen zu vernetzen. Nur so können sie es schaffen, ihre komplexe Umwelt (einigermaßen) zu verstehen, zu „fühlen“ und effektiv darauf zu reagieren.
Innovation kultivieren
Winfried Berner schreibt in seinem hervorragenden Change Guide: „Kultur macht einen Unterschied – nicht nur für das Wohlbefinden, sondern auch in harten betriebswirtschaftlichen Zahlen.“ Dies gilt sowohl für die Unternehmenskultur als auch spezifisch für die „Innovationskultur“ in einer Organisation.
Weiter bietet Berner drei Definitionen an:
- „Kultur ist die Summe aller gemeinsamen und selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe im Laufe ihrer Geschichte erlernt hat. Sie ist der Niederschlag des Erfolgs.“ (Ed Schein)
- „Kultur ist die Summe der Gewohnheiten einer Organisation.“ (Michael Löhner)
- „Kultur ist der ‚Charakter‘ eines sozialen Systems, d.h. die Art, wie es auf die großen und kleinen Fragen des Lebens antwortet. Sie ist das Produkt der Entscheidungen, die es im Laufe seiner Entwicklung in Reaktion auf kritische Erfahrungen getroffen hat.“ (Winfried Berner)
HYPOTHESE 2) Die Kultur, die in einem Unternehmen im Zusammenhang mit Innovation, Erneuerung und Entwicklung gelebt und gepflegt wird entscheidet langfristig über den (Innovations)Erfolg.
HYPOTHESE 3) Führung ist der stärkste „kultur-bildende“ Faktor in Organisationen.
Das, was Führung in einem Unternehmen vorlebt, fördert aber auch einfordert wird langfristig auch das sein, was die gelebte Kultur im Wesentlichen ausmacht. Allerdings wird Führung zukünftig nicht mehr nach rein hierarchischen Prinzipien verteilt werden. Führung kann (muss) auch situativ und ohne jegliche hierarchische Legitimation erfolgen.
Innovative Teams bilden
Nicht Organisationen, Systeme oder Prozesse erzeugen Innovationen – einzig und allein MENSCHEN entwickeln innovative Lösungen, Produkte und Dienstleistungen. Entsprechend sind es auch die Menschen mit ihren individuellen Haltungen, Fähigkeiten und ihrem Wissen, die den Unterschied machen.
HYPOTHESE 4) Innovative Unternehmen wirken wie ein Magnet auf „die richtigen“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Innovative Unternehmen ziehen kompetente, kooperationsbereite und lernwillige Menschen an.
Natürlich kommt der Personalwirtschaft in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Denn sie versucht, „die richtigen“ Menschen für das Team zu gewinnen, sich von veränderungs- und lernunwilligen Mitarbeitenden zu trennen und Lernfelder und -freiräume sicher zu stellen.
(Übrigens: Ich mag den Begriff der „Personalwirtschaft“ zwar nicht, mir ist aber kein besserer Begriff eingefallen.)
Strategie – Prozesse – Strukturen
Frei nach dem Motto „structure follows process follows strategy“ (Chandler, 1962) benötigen innovative Unternehmen natürlich auch das richtige Maß an „Ordnung“, um kreative und innovative Prozesse in einer effizienten und effektiven Form zu gewährleisten. Hierbei gilt in jedem Fall: „Soviel Struktur wie nötig, nicht soviel wie möglich.“
HYPOTHESE 5) Innovative Unternehmen funktionieren nach dem Prinzip der größtmöglichen Selbstorganisation. Diese Unternehmen gehen aber keinesfalls chaotisch vor, sondern sie konzentrieren sich auf ein Mindestmaß an Prinzipien, Regeln und Strukturen. Dadurch werden Spitzenleistungen in Teams erst möglich.
Führung
In einer komplexen und dynamischen Welt steigen auch die Anforderungen an „Führung in Organisationen“ stetig an. Denn Führung nach dem hierarchischen Prinzip funktioniert in den allermeisten Unternehmen schon lange nicht mehr. Gefragt sind vielmehr Führungskräfte, denen Mitarbeiter gerne und freiwillig FOLGEN.
HYPOTHESE 6) Führung in innovativen Unternehmen ist postheroische Führung.
Blackbox Innovation
Die kreativen Innovationsprozesse und -projekte haben den Charakter einer Black Box. Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, ob Innovation gelingt oder nicht. Diese Faktoren sind vielfach nur schwer identifizierbar. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Gründe für Innovationserfolge oder -misserfolge häufig ex post nicht ganz eindeutig identifiziert werden können.
HYPOTHESE 7) Innovationsprozesse und -projekte verhalten sich häufig wie eine Black Box. Innovationserfolg ist nicht ultimativ planbar.
Innovationserfolg
HYPOTHESE 8) Der schlussendliche Erfolg von Innovationen hängt einerseits vom unmittelbaren Output der Innovationsprozesse und -projekte ab, andererseits aber auch von innovationsunterstützenden Faktoren wie der Vermarktung, der Produktion oder auch einer leistungsfähigen Logistik.
Nachhaltige Innovation
Es ist keine Kunst, kurzfristig innovativ und erfolgreich zu sein. Die wirklichen „Innovations-Champions“ allerdings schaffen es, langfristig und dadurch nachhaltig erfolgreich zu sein. Wie auch schon Hannes Offenbacher in seinem Beitrag zur Blogparade richtigerweise festgestellt hat, gilt es, eine Balance zwischen ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu finden.
HYPOTHESESE 9) Die wahren Innovations-Champions sind nachhaltig (ökonomisch, ökologisch, sozial) erfolgreich. In diesen Unternehmen ist Innovation kein Zufallsprodukt, sondern Philosophie und Mission.
Lebendige, lernende Systeme
Nachhaltig innovative Unternehmen sind lebendige, lernende Systeme. Lebendig sind sie dann, wenn paradoxerweise in sehr erfolgreichen Unternehmensentwicklungsphasen die Säulen des Erfolgs hinterfragt und bei Bedarf eingerissen werden. Gleichzeitig sind rollierende Reflexions- und Lernprozesse ein Teil der Unternehmenskultur. Diesen Unternehmen ist klar, dass durchschlagender (Innovations)Erfolg einer der größten Feinde für langfristige Innovationsfähigkeit ist. Denn Erfolg kann die Wahrnehmung der Menschen blenden, er verleitet zu Überheblichkeit und Trägheit.
HYPOTHESE 10) Innovative Unternehmensführer/innen re-investieren einen Teil des Innovationserfolgs in die stetige Weiterentwicklung und Erneuerung des sozialen Systems namens „Unternehmen“.
Nachtrag: Dieser Beitrag ist auf der Basis folgender ConceptMap entstanden, die ich zur Strukturierung meiner Gedanken erstellt habe:
Weitere Beiträge:
- Heinz Peter Wallner: Innovation. Dem Dickicht der Zwergenwelt entfliehen?
- Cornelia Daniel: Gesellschaftsfreundliche Produkte als Innovationsmotoren
- Jörg Liemandt: Was ist eigentlich an Innovation so toll?
- Hannes Offenbacher: Innovation? Nicht labern, machen!
- Thomas Mathoi: Innovatives Bauwesen (?)
- Marcus Ambrosch: Zukunft, Innovation von Menschen, Management und Organisationen
- Diana Ljubic: Innovation
- Stefan Mey: Thema verfehlt
- Franz Kühmayer: Der Wendepunkt
Zu dieser Frage:
“
WIE KÖNNEN GRÖSSERE UNTERNEHMEN SICHERSTELLEN, SELBST AGIL UND INNOVATIV ZU BLEIBEN?
“
…gehört ME auch, dass die Prozesse „Agil“ sein müssen und Ideen etc. einfliesen können müssen…
Grüsse
Bernd
Hallo Stefan, mit klarer Sprache die wichtigen Fragen auf den Punkt gebracht. Aus diesen Zeilen spricht Deine große Erfahrung! Herzlichen Dank für die Nennung meines Buches! Freut mich sehr.
Dein Blog wird mir immer mehr zur Quelle der Inspiration und zur Wissensdatenbank!
herzliche Grüße,
Peter
Hallo Heinz Peter,
habe Dein Buch zwar noch nicht vollständig gelesen, war aber schon nach dem ersten Durchblättern begeistert. Ein toller Ansatz, der exakt den „Nerv der Zeit“ trifft.
Viele Grüße,
Stefan
Nachtrag vom 12.12.2010: Ich habe den Beitrag aktualisiert und vollständig überarbeitet, da die erste Fassung für die Blogparade etwas zu knapp ausgefallen ist.
wichtig finde ich ist ein entsprechender geist, der innovation überhaupt erst ermöglicht. wie zum beispiel in folgendem fall.
http://www.youtube.com/watch?v=OORnMYoWX9c
@Achim: Fully agree. Für mich steckt der Geist, der Spirit im Faktor „Kultur“ drinnen. Es git, diesen Geist zu schaffen, immer wieder neu zu entfachen und zu „kultivieren“.
Welche Innovationsstrategien zum Erfolg eines mittelständisches Unternehmen führen können kann man auch kurz Beschreiben: http://www.marktundmittelstand.de/nachrichten/strategie-personal/innovation-die-strategien-der-mittelstaendler/
Vielen Dank für Ihren Betrag, ich bin sehr beeindruckt!