Nutzen von PM Zertifizierungen – Zwischenergebnis

Letzte Woche wollte ich im Rahmen der Blitzumfrage 27 erfahren, inwiefern Sie Projektmanagement Zertifizierungen für sinnvoll und wichtig erachten. Hier das Zwischenergebnis nach immerhin 225 Rückmeldungen:

Wenig überraschend sind die meisten Leser/innen (nämlich 68%) der Ansicht, dass Zertifzierungen zwar karrieretechnisch einen Vorteil bringen können, dass sie aber wenig darüber aussagen, ob jemand ein/e gute/r Projektleiter/in ist. 22 % der Rückmeldungen erachten PM Zertifizierungen für wichtig und sinnvoll, lediglich 6 % halten gar nichts davon.

Meine Meinung zu dem Thema:

  • Es ist unbestritten, dass man sich einiges an Wissen aneignen muss, um die verschiedenen PM Zertifikate zu erwerben.
  • Es ist weiters unbestritten, dass zertifizierte Projektleiter/innen ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache entwickeln, was für die Praxis sehr wichtig ist.
  • Eine generelle Bewertung der Zertifikate ist natürlich nicht zulässig oder möglich, da inhaltliche, konzeptionelle und auch qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Zertifizierungen und Zertifizierungsstufen bestehen.
  • Für mich ist eine der Kernfragen, ob man mit einer Zertifizierung erworbenes Wissen auch in KÖNNEN umwandeln kann. Wenn dies nicht gelingt, sind Zertifizierungen nutzlos (oder sogar schädlich, denn dann werden vermeintliche „Könner“ auf Projekte angesetzt, mit denen sie faktisch überfordert sind). Denn dann weiß jemand zwar viel, er/sie kann es aber nicht umsetzen.
  • Eine weitere wichtige Frage besteht darin, welche Konzepte, Inhalte und Theorien die Grundlagen für die Zertifizierungen darstellen. Denn teilweise hat man den Eindruck, dass die Praxis des Projektmanagements schon weiter ist als die Theorien und Modelle der PM Standards.
  • Ob der Aufwand für eine Zertifizierung in einem guten Verhältnis zum jeweils individuellen Nutzen steht, muss jede/r für sich selbst beurteilen.

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich in den nächsten 1-2 Jahren wahrscheinlich eine Scrum Zertifizierung angehen werde. Mit den Zertifzierungen der großen Verbände habe ich abgeschlossen, da sie für mich zu wenig praktischen Nutzen haben. Die Zeit, die ich für eine erfolgreiche Zertifizierung aufwenden müsste, verwende ich lieber für selbstgesteuertes Lernen in anderen Bereichen.

Über Ihre Meinungen zu diesem Thema würde ich mich sehr freuen.

6 Gedanken zu „Nutzen von PM Zertifizierungen – Zwischenergebnis“

  1. Ich bin da wirklich sehr zwiegespalten, Deinen zuerst genannten „unbestrittenen“ Punkten stimme ich zu. Dem entgegen stehen zwei Aspekte, die mich eher am Sinn von Zertifizierungen zweifeln lassen.

    In einigen Frmen habe ich es schon erlebt, dass die Zertifizierungen nur Karten im internen Machtpoker sind. Der zertifizierte PL darf dem unzertifizierten ins Handwerk pfuschen, selbst wenn der gute Arbeit leistet. Das ist vielleicht ein kulturelles, deutsches Phänomen: quasi die moderne Form des „Ober sticht Unter“

    Der zweite Punkt den ich skeptisch sehe ist der Markt. Zertifizierung ist ein geschäft. Es gibt viele Anbieter, die das als reines Business Modell sehen. Das Umsetzen von Zertifikat in konkretes Können im Projekt wird dann sekundär. Ich befürchte, dass auch bei den aktuell laufenden Diversifizierungen der Scrum-Zertifizierungen die Marktaufteilung eine sehr wichtige Rolle spielt.

  2. Bisher haben mich die Zertifizierungen immer überzeugt. Eure Gedanken lassen mich aber nachdenklich stimmen. Ich persönlich habe aus der Zertifizierung extrem viel KnowHow mitgenommen. Für mich ist es aber auch klar, dass Wissen nicht gleich Können ist. Und irgendwie appelliere ich hier an die Vernunft und an das Einschätzungsvermögen des Zertifizierten. Das ist doch ähnlich wie bei einem Studium-Abschluss: Man hat sehr viel gelernt, aber das Gelernte muss zuerst in der Praxis umgesetzt werden. Erst dann kann man von „Erfahrung“ sprechen.

  3. Hallo miteinander,

    ich möchte den Gedanken von Eberhard noch einen weiteren hinzufügen.

    Der Effekt, dass Zertifizierungen ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache entwickeln, ist aus meiner Sicht ein zweischneidiges Schwert. Ich denke einmal, dass ein Projektmanager in der täglichen Arbeit bedeutend mehr mit „Nicht-Projektmanagern“ kommunizieren muss. In wie weit hierbei eine immer stärkere „Fachsprache“ unter Projektmanagern helfen soll, sehe ich auf den ersten Blick nicht.

  4. @Nina: Wirtschaft ≠ Vernunft 😉

    @Gernot: Ich stimme Dir zu. Meine Überzeugung: Die Praxis wird diese Themen auf Dauer regeln. FORMALE Abschlüsse (auch akademische) werden tendenziell an Bedeutung verlieren.

    Stattdessen werden Personalverantwortliche, Führungskräfte und Kolleg/innen Menschen wieder stärker nach tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen beurteilen (sprich die REALE Kompetenz).

  5. Lieber Stefan, lieber Eberhard,

    ich denke, wir sollten die Wirkung von Zertifizierungen auf die Organisation nicht unterschätzen. Die von Dir und anderen ins Feld geführte gemeinsame Sprache führ in den Organisationen, die ich etwas genauer beobachten darf, immer (wirklich immer) zu einem guten Schritt in der Organisationsentwicklung.
    Daher ist mein Plädoyer klar pro Zertifizeriung aber NUR in einem organisationsinternen Kontext. Offene Trainings zur Zertifizierung Level D oder PMP oder…. (you name it), wo Einzelspieler aus unterschiedlichen Organisationen zusammen sitzen und einen Schein abholen, nutzen m.E. vornehmlich nur dem Anbieter des Kurses.
    Gute Erfahrungen habe ich mit Zertifizierungen, die innerhalb eines Organisationsberatungsmandates eingebettet sind. Sie erhöhen eigentlich immer die „reale“ Kompetenz (d.h. Wissen und Können) der Organisation und der Einzelpersonen.

    P.S. ..und es bleibt (k)ein -berufenes- Geheimnis, warum die Disziplin PM, die primär die Organisation und ihre Prozess im Fokus hat, Qualifikation primär auf der individuellen Ebene vorantreiben will…
    …und das es dann sogar eine SCRUM Zertifizierung gibt, amüsiert mich…

    P.P.S: Eine wunderbare Jahresendzeit und ein wirksames Jahr 2011 wünscht Olaf

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