Rückblick (3): Projektmanagement = Management

Rückblick

Im September diesen Jahres habe ich eine meiner Überzeugungen wieder mal explizit ausgesprochen bzw. ausgeschrieben:

“Richtiges und gutes Projektmanagement unterscheidet sich im Kern nicht von richtigem und gutem Management.”

Ich stehe nach wie vor dazu, wenngleich ich diese etwas verkürzte These in einem weiteren Blogbeitrag etwas konkretisiert habe.

Die Diskussion zu diesem Thema war überaus anregend und lehrreich. Ich möchte nachträglich allen Diskussions-Teilnehmer/innen herzlich danken. Ganz besonders aber bedanke ich mich für die konstruktiv-kritischen Beiträge (z.B. von Eberhard Huber, Bernhard M. Scheurer, Gebhard Borck).

Ausblick

Durch die Diskussion und zwischenzeitlich erschienene Beiträge ist es mir nun möglich, ein noch klarerer Bild zum Thema „Projektmanagement = Management“ zu zeichnen.

Die 4 Ebenen der Projektarbeit

Marcus Raitner hat vor einigen Wochen einen hervorragenden Beitrag zu den 4 Ebenen der Projektarbeit veröffentlicht. Darin referenziert er auf ein Modell, das Prof. Dr. Gunter Dueck in seinem jüngsten Werk „Professionelle Intelligenz“ (Affiliate Link) beschreibt. Dueck unterscheidet folgende 4 Ebenen der professionellen Wissensarbeit:

  • Ebene der Arbeit: Dinge von Wert entstehen dann, wenn Menschen Aufgaben im Sinne einer Zielerreichung erledigen (= Wertschöpfung, operative Ebene). Darum geht es am Ende des Tages in Projekten und in den meisten anderen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens.
  • Ebene des Managements: Die operative Planung, Organisation, Steuerung und Koordination der Arbeit obliegt dem Management (= Arbeit im System; Fokus auf Effizienz).
  • Ebene der Metaarbeit: Operative Wertschöpfungsprozesse müssen übergeordnet organisiert werden (= Arbeit am System; Fokus auf Effektivität). Denn die gesamthafte Systemarchitektur und die -strukturen, gelebte Prinzipien und Werte, oder auch die Koppelung an einen übergeordneten Sinn sind Faktoren, die den Erfolg von Projekten nachhaltig beeinflussen.
  • Ebene der Führung: Wenn Management die Funktion zur effizienten Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen ist, dann ist Führung die Funktion zur effektiven Gestaltung der gesamthaften, systemischen Rahmenbedingungen (= Metaarbeit).

Das 4-Ebenen Modell kann sowohl auf die Arbeit in Projekten als auch die Arbeit in Prozessen (Routine, Linie) angewendet werden. Die Kernfunktionen Management (= operative Ebene) und Führung (= strategische/normative Ebene) bleiben dieselben.

Mengenlehre zur Konkretisierung

Bernhard M. Scheurer hat im Rahmen der Diskussion die Mengenlehre ins Spiel gebracht. Für ihn ist Führung in Management beinhaltet und Management in Projektmanagement (F ⊂ M ⊂ PM). Ich seh’s genau umgekehrt (PM ⊂ M ⊂ F). Meiner Ansicht nach ist Führung die Funktion auf höchster Ebene, danach folgt Management und Projektmanagement schließlich ist eine Teilmenge von Management („Richtiges und gutes Projektmanagement unterscheidet sich im Kern nicht von richtigem und gutem Management.“).

Bezugssysteme zur Konkretisierung

Gebhard Borck hat im Zuge der Diskussion zurecht eingebracht, dass wir – um einen wirklichen Fortschritt zu erzielen – das aktuelle (mechanistische) Bezugssystem verlassen müssen. Er tritt mit seinen Kollegen Andreas Zeuch und Markus Stegfellner für „sinnvolles Wirtschaften“ ein (1 | 2).

Grundsätzlich gebe ich Gebhard vollkommen recht, dass wir ein neues Bezugssystem brauchen. Für mich persönlich wäre das im Wesentlichen ein neues Organisations-, Führungs- und Managementverständnis (auf der Grundlage „wirklich“ humanistischer Wertehaltungen und eines „wirklich“ humanistischen Weltbildes). Genau das haben wir heute schon auf Jens Hoffmanns Blog diskutiert. Denn meine Position ist: Nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch. Um die „neue, höhere Form„, sprich das neue Bezugssystem verstehen zu können, muss man zuerst die „alte, trivialere Form“ verstanden haben und vor allem richtig anwenden. Gutes und richtiges Management nach dem alten Bezugssystem schließt gutes und richtiges Management (oder wie auch immer es zukünftig genannt wird) nach dem neuen Bezugssystem nicht aus. Vielmehr bedingt das eine das andere.

Fazit: Wir brauchen gute und richtige Projektführung & -management

Im Kern geht es mir bei der ganzen Thematik um folgendes: Wir müssen Projektmanagement endlich als anspruchsvolle Führungs- und Managementaufgabe begreifen. Dieses Verständnis muss bei der Geschäftsleitung / dem Top-Management beginnen und sich bis zu den Menschen in Projekten (P.leiter/innen + P.teams) durchziehen.

28 Gedanken zu „Rückblick (3): Projektmanagement = Management“

  1. Hallo Stefan,

    danke für die Blumen 😉 Ich stimme Dir zu Projektmanagement und Management unterscheiden sich nicht substantiell. Aufgrund der Umstände eines Projekts (neuartig, komplex, etc.) bin ich der Meinung, dass Projektmanagement sogar schwieriger ist als Management im Allgemeinen. Im Sinne dieser vier Ebenen ist ein Projekt für die Organisation die es durchführt immer auf der Ebenen der Metaarbeit zu suchen, weil das Projekt ja eben keine Linienarbeit ist sondern die bestehenden Prozesse verbessern soll.

    Herzliche Grüße,
    Marcus

  2. Hallo Stefan,

    ich stimme Dir zu, Projekt-Management ist Teil von Management und das ist Teil von Führung. Und deswegen gelten die Regeln für richtiges und gutes Management auch für richtiges und gutes Projektmanagement.

    Was ich bis heute noch nicht verstanden habe, ist die Flucht aus dem aktuellen Bezugssystem. Es will mir nicht wirklich verständlich werden, warum ein „mechanisches“ Bezugssystem – also eines, das auf Ursache und Wirkung aufbaut – überholt sein soll?

    Nach meiner Meinung ist das definitiv nicht überholt. Es muss aber vor dem Hintergrund eins eines etablierten Wertesystems betrachtet werden, dass als Richtlinie dient: Bilde Deine Meinungen auf der Grundlage dieses gefestigten und allgemein akzeptierten Wertesystems. Und dann: Sage was Du meinst und handle entsprechend.

    Grüße,
    Thomas

  3. Hallo Stefan,

    netter Versuch zum Jahresende:

    Um die “neue, höhere Form“, sprich das neue Bezugssystem verstehen zu können, muss man zuerst die “alte, trivialere Form” verstanden haben und vor allem richtig anwenden. Gutes und richtiges Management nach dem alten Bezugssystem schließt gutes und richtiges Management (oder wie auch immer es zukünftig genannt wird) nach dem neuen Bezugssystem nicht aus. Vielmehr bedingt das eine das andere.)

    Mit Verlaub, das ist Quatsch – das neue Bezugssystem von dem ich spreche "sinnvolles Wirtschaften", ist keine höhere Form der Führung es ist eine ANDERE ;)!
    Niemand muss das bestehende verstanden haben, um mein entworfenes Bezugssystem richtig anzuwenden. Und vor allem anderen bedingt das eine das andere überhaupt nicht.

    Wer das erkennen will, lese sich Affenmärchen bitte komplett durch, dann wird man es verstehen ;).

    Ein sowohl als auch geht zwar, hat allerdings keinen Zusatznutzen. Weder aus dem einen, noch aus dem anderen Bezugssystem heraus gedacht. Vielmehr schafft es zusätzliche Probleme, die traditionelles Management dann toll verwalten kann.

    Ich bin auch nicht in der Old-New-School Metapher unterwegs. Das sehe ich alles als optimieren des Bestehenden und eben nicht als Wandel des Systems.

    Viele der bekannten Erkenntnisse stoße ich keineswegs, wie viele Glauben, über Bord. Ich betrachte sie allerdings unter einem komplett anderen Licht. Damit wird einiges wichtiger und anderes unwichtig.
    Formale Hierarchie etwa wird unwichtig. Das wir Menschen immer und immer wieder (auch dumme) Fehler machen, nie rein rational entscheiden können und versuchen uns sinnhaft zu verwirklichen wird zentral.

    Kurzum: Den Zusatz möchte ich doch weit von mir und energisch darauf hinweisen, dass es allein die Meinung von Stefan Hagen ist, die sich in meinen Ausführungen zum Thema überhaupt und gar nicht deckt ;)!

    Gruß
    Gebhard

    PS: Durchaus auch im Namen meiner Kollegen

    @Thomas: Fang an Dreiband Billiard zu spielen und Du wirst sehen, wie begrenzend vereinfachend die Sichtweise von Ursache und Wirkung ist; Versuche heraus zu finden warum Du bist, wie Du bist und wie viel davon genetisch und wie viel vom sozialen Umfeld bedingt ist; Erkläre mir mit absoluter Sicherheit, aus was eine Pfütze, der Du auf einem Gehweg begegnest entstanden ist; erkläre mir, wie die Menschen abnehmen und gleichzeitig glücklich sein können und zum guten Schluss – sag mir ob die Katze tot ist oder lebt.
    Wenn Du all das mit etwas mehr Intelligenz als 42 beantworten kannst, dann erkläre mir noch mal die Welt, in der wir Menschen verstehen sollen, welche Ursachen welche Wirkungen haben.
    Wenn nicht, wach auf!

  4. Die Analogie zu Schrödingers Katze ist gut. Dazu würde auch noch dies hier passen: Beobachtet man ein kleines Teilchen, dann wird es bereits durch diese Beobachtung verändert. (von wem stammt das nochmal?)

    Insofern hat Gebhard natürlich recht, dass ein rein mechanistisches Modell die Welt auch nicht vollständig beschreibt. Aber auch jedes andere Modell wird die Realität nicht vollständig beschreiben. Ob nun also „sinnvolles Wirtschaften“ besser ist als ein mechanisches Modell sei mal dahingestellt. Wahrscheinlich ist es wie mit allem: Es wird kein „entweder / oder“ sondern ein „mal das eine / mal das andere“. So ist das auch in der technischen Modellbildung. Es kommt auf den Zweck an – und daraus ergibt sich dann die Frage, welches Modell für den gewünschten Zweck besser geeignet ist.

    Wahrscheinlich störe ich mich einfach an der Vehemenz, mit der Gebhardt seine These des „sinnvollen Wirtschaftens“ vertritt und damit bei mir immer einen sehr ab- bzw. ausgrenzenden Eindruck hinterlässt. Aber ich möchte hier nicht ungefragt Gebhards Thesen diskutieren – zumal ich sein Buch noch nicht gelesen habe. Sein polarisierendes Wesen hat Gebhard aber beibehalten. 😉

    Grüße,
    Thomas

  5. Hallo Gebhard,

    sorry, dass ich das „neue Bezugssystem“ nicht in Eurem Sinne in meine Gedankenwelt und in weiterer Folge in den Blogbeitrag eingefügt habe.

    Die Frage, ob es nun eine „höhere“ oder eine „andere“ Form ist, halte ich im Kern für ein semantisches Problem. Ich meinte höher im Sinne von besser, und auch in Eurem Sinne müsste anders doch auch besser bedeuten, nicht? Können wir uns auf „bessere Form der Führung“ einigen?

    Mein Eindruck ist, dass wir in der Diskussion tatsächlich immer wieder auf folgende Glaubenssätze stoßen:

    a) Du: Wir brauchen ein neues Bezugssystem. (Revolution; entweder-oder)
    b) Ich: Wir müssen das Bestehende weiter entwickeln. (Evolution; sowohl-als-auch)

    Ist das so?

    Ich möchte noch kurz anhand eines Modells erläutern, warum ich der Ansicht bin, dass wir „Old-School-Management“ noch benötigen.

    Kambiz Poostchi beschreibt in seinem Buch drei Stufen systemischer Reifeevolution:

    a) Dependenz (= Abhängigkeit)
    b) Independenz (= Unabhängigkeit, Selbständigkeit)
    c) Interdependenz (= Zugehörigkeit, Zusammengehörigkeit)

    Dazu schreibt er auf S. 33-34:

    Offene, lebende Systeme wie Einzelpersonen, Organisationen, Gemeinschaften oder die Menschheit durchlaufen als Ganzheit einen zyklischen Entwicklungsprozess entlang des Kontinuums systemischer Reifeevolution, analog zu den Stufen der Kindheit, Jugend und des Reifealters beim Einzelnen. […] Der Übergang von jeder Phase zur anderen stellt eine umwälzende Veränderung der Werte, Prinzipien und Möglichkeiten dar.

    Übertragen auf das hier diskutierte Problem bedeutet dies für mich,

    a) dass Führung selbstverständlich die Verantwortung hat, Menschen, Organisationen und Gemeinschaften so zu fördern, dass sie in die jeweils nächste Stufe eintreten können,
    b) dass wir aber nicht davon ausgehen können, dass alle Menschen, Organisationen oder Gemeinschaften bereits die Stufe der Interdependenz (= soziale Reife, Zugehörigkeit) erreicht haben.

    Für mich ist es also unbestritten, dass wir ein „sinnvolles Wirtschaften“ wie Ihr es propagiert, dringend benötigen. Allerdings stellt der Weg dorthin aus meiner Sicht einen Prozess systemischer Reifeentwicklung dar, der immer im Hier und Jetzt beginnen muss. Entsprechend bin ich der Ansicht, dass wir größere Chancen auf Erfolg haben, wenn wir versuchen, den Status Quo in die nächste Entwicklungsstufe zu bringen.

    Viele Grüße,

    Stefan

  6. @Thomas + Gebhard: Bitte korrigiert mich, wenn ich hier falsch liege. Aber setzen wir in der Diskussion das viel zitierte „mechanistische Weltbild“ nicht mit einem technisch-naturwissenschaftlichen Blick auf die Welt gleich? (vgl. hierzu auch den Artikel zur „Atomisierung der Gesellschaft“ im Sinne von Prof. Pietschmann)

    Wenn dem so ist, dann bin ich der Ansicht, dass wir gut differenzieren müssen, wovon wir jeweils sprechen. Denn es ist doch zulässig und sogar notwendig, komplizierte, technische Probleme mit technisch-naturwissenschaftlichem Wissen zu lösen. Allerdings müssen wir dieses Weltbild verlassen, wenn es um Menschen und den Austausch in sozialen Systemen (= Führung, Organisation, Management) geht.

    Auch hier bin ich folglich der Ansicht, dass wir beide Sichtweisen brauchen.

    Grüße, Stefan

  7. @Stefan: Da ist schon was dran. Wenn ich von einem „mechanistischem Weltbild“ rede, beziehe ich mich sicherlich eher auf eine technische Sicht. Das heißt aber nicht, dass ich im Umgang mit Menschen von genau dieser wortwörtlichen Verknüpfung von Ursache und Wirkung ausgehe. Das wäre naiv.

    Mir kommt da eher Friedemann Schulz von Thun und sein „Vier-Ohren-Modell“ in den Sinn. Ich spreche mit „4-Schnäbeln“ und jemand mit „4-Ohren“ hört mir zu [vgl. http://www.vier-ohren-modell.de/%5D

    Es gibt schon einen Zusammenhang zwischen der Aktion (reden oder wegen mir auch schweigen) und der Reaktion.

    Aber schon die Idee des „Vier-Ohren-Modells“ zeigt, wie unrealistisch es wäre, von einem tatsächlich mechanischem Ursache/Wirkungs-Prinzip zu reden. Eine Botschaft wird unter 4 unterschiedlichen Gesichtspunkten gebildet und geäußert, technisch übetragen und vom Gegenüber physikalisch erfasst. Soweit so gut. Anschließend wird diese Botschaft aber auch unter 4 unterschiedlichen Gesichtspunkten interpretiert.

    Genau die Interpretation der Botschaft ist jetzt aber nicht mehr nur von der Botschaft selbst abhängig. Vielmehr spielen nun eine unüberschaubare Anzahl von weiteren Faktoren eine Rolle – nämlich der Kontext indem sich der Empfänger befindet. Diesen Kontext kann man weder vollständig erfassen und noch viel weniger vollständig kontrollieren. Schon daran sieht man, wie unrealistisch es ist, zu glauben, dass der Umgang mit Menschen vergleichbar mit einem Uhrwerk ist. Zahnräder interpretieren nicht.

    Es geht hier aber nicht um die vollständige Beschreibung der Realität. Es geht hier um Modellbildung – „also um das Erkennen, Beschreiben und Prognostizieren von Umwelt und Realität in Strukturen und Prozessen.“ [vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Modellbildung%5D-

    So und da bin dann wieder ganz bei Dir Stefan: Es ist nicht ein „entweder / oder“. Vielmehr ein „sowohl als auch“. Denn:

    „Die Modellbildung abstrahiert mit dem Erstellen eines Modells von der Realität, weil diese in fast allen Fällen zu komplex ist, um sie genau abzubilden.“ [ebd] Somit gehe ich davon aus, dass auch das Modell des „sinnvollen Wirtschaftens“ die Welt nicht genau abbildet.

    „Es wird aber auch gar nicht beabsichtigt, die Realität komplett abzubilden. Vielmehr sollen lediglich die wesentlichen Einflussfaktoren identifiziert werden, die für den zu betrachtenden Prozess bedeutsam sind – das gebildete Modell soll also nicht exakt, sondern nur genau genug sein.“ [ebd]

    Und entsprechend wird es Momente geben, in denen das Modell des „sinnvollen Wirtschaftens“ wirksamer ist. Es wird aber auch Momente geben, in denen andere Modelle geeigneter sind, die Realität zu erkennen, zu beschreiben und zu prognostizieren.

    Daher wehre ich mich so gegen den Absolutheitsanspruch, den ich in der Kommunikation von „sinnvoll Wirtschaften“ wahrnehme. Es ist auch nur ein Modell, es abstrahiert und vereinfacht. Es ist nicht besser oder schlechter. Es ist nur ein Modell, mit dessen Hilfe man die Realität in bestimmten Einflussfaktoren identifizieren kann. Sowohl dieses Modell als auch andere Modelle sind gut.

  8. Guten Morgen, alle zusammen,

    ja, ich kann Nadja nur zustimmen – wieder einmal spannend hier …

    Mir sind noch folgende Dinge eingefallen, die vielleicht den aktuellen Stand der Diskussion nicht ganz widerspiegeln, ich aber auf jeden Fall los werden möchte!

    @Thomas und das anwenden des Prinzips „Ursache und Wirkung“ – was für mich keinesfalls gleichzusetzen ist mit dem technisch naturwissenschaftlichen Blick auf die Welt. Allerdings passt diese Ergänzung ganz gut, danke Stefan!
    Nehmen wir „Ursache und Wirkung“ einmal als Bestandteil der naturwissenschaftlichen Welt, dann ist es doch so: Wir würden keinem Physiker der Welt auch nur ein Vordiplom dafür geben, dass er das Prinzip „Ursache und Wirkung“ verstanden hat. Denn kein 8-klässler ist ein Dipl. Physiker oder Ingenieur nicht wahr?
    Dennoch sind unsere Ansprüche an Unternehmer und Führungskräfte so bescheiden, dass wir sie mit 8-klässler-Wissen und -Kompetenz Millionen und Milliarden von Euro organisieren und hunderte, wenn nicht sogar tausende von Menschen gängeln lassen.
    Wer würde in der naturwissenschaftlich technischen Welt allen Ernstes ein Auto fahren, in dem die Sicherheitssysteme wie Bremse, Lenkung oder das Rückhaltesystem von einem vielleicht technisch talentierten und dennoch mittelstufigen 15-jährigen entwickelt worden sind, der das Prinzip „Ursache und Wirkung“ verstanden hat?
    Genau das allerdings scheint in der Wirtschaft ausreichend zu sein. Zumindest solange wir daran festhalten, das es schon i.O. ist, das Prinzip „Ursache und Wirkung“ verstanden zu haben. Nicht das es kein ein Bestandteil unseres Wissens wäre allerdings …

    @Sowohl als Auch
    Hierzu sind mir zwei Dinge eingefallen:
    Entweder man beginnt zu erkennen, dass Prinzipien wie „Ursache und Wirkung“ die Welt doch in einem ziemlich engen newtonsch-decartschen-Raum beschreiben oder man hört auf über zunehmende Dynamik und Komplexität bzw. wirklicher Humanität (denn Menschen sind nun einmal Komplex und nicht tiviale Reaktionsmaschinen auf eindeutig erkennbare Ursachen) zu sprechen. Denn beides zusammen wird es nicht geben.
    Für eine komplexe Welt wie die unsere – ganz ohne das Zutun des Menschen übrigens – reicht „Ursache und Wirkung“ als Modell in der Wissenschaft schon seit weit über 100 Jahren nicht mehr aus. Also entweder man erkennt das auch mal für die Wirtschaft an oder hört eben auf, über zunehmende Komplexität und Dynamik zu reden – mit all den dazugehörigen Konsequenzen.

    „Sinnvoll Wirtschaften“ ist kein Modell! Es ist eine Einladung und ein anderes Bezugssystem. Sprich ein anderer Rahmen um über die selben Probleme nachzudenken, daraus allerdings zu anderen Lösungen zu kommen.
    Zur Veranschaulichung sei ein wenig in der Geschichte zurück gegangen. Es gab einmal die verbreitete Meinung, dass die Erde das Zentrum des Universum sei und alles um sie kreisen würde. Dieses Bezugssystem war ausreichend, um eine Vielzahl der beobachteten Phänomene in der Welt zu beschreiben. Es war allerdings gänzlich ungeeignet die Bahnen vieler Planeten und Sterne zu erklären. So kam man zur Annahme, die sich später als Wahr heraus stellte, dass die Sonne das Zentrum des Universums bildete.
    Mit dieser Veränderung des zentralen Bezugspunktes und damit des Bezugssystems hat sich so einiges verändert, nicht nur die Berechnung der Sternen- und Planetenbahnen.
    Und hier kommen wir zum „Entweder Oder“. Bis heute habe ich niemanden kennen gelernt, der versucht hat ein Bezugssystem zu entwickeln, in dem sowohl Erde als auch Sonne im Zentrum des Universums stehen!

    Das soll auf keinen Fall die Anwendbarkeit eines Sowohl als Auch in Abrede stellen. Ich finde beispielsweise, dass alle Probleme, die uns heute begegnen sowohl im bestehenden Bezugssystem des Krank-Gesund-Wirtschaftens (erdzentriert) eine Lösung finden als auch im Bezugssystem des sinnvollen Wirtschaftens (heliozentrisch – ohne überheblich sein zu wollen ;)!).

    Der Apfel fällt vom Baum, ob wir uns das Universum erd- doer sonnenzentriert vorstellen.

    Früh als ich mit Markus und Andreas zusammen kam, diskutierten wir genau diesen Punkt, da wir alle drei von der „Sowohl als Auch“ Fraktion waren.

    Was uns daran nicht gefiel?

    Die Beliebigkeit und der einigermaßen hohe Grad an Orientierungslosigkeit, der damit einherging. Deshalb machten wir uns ganz gezielt auf die Suche nach einem „Entweder Oder“, das uns zentraler Bezugspunkt sein sollte. Denn wir empfanden es als viel wertvoller, ein „Entweder Oder“ zu finden als uns in 1.000.000 Sowohl-Als-Auchs zu verlieren.

    Es hat uns einige Zeit und so manche Diskussion gekostet, dann haben wir für uns die Unterscheidung Sache (Welt) und Mensch (Sonne) gefunden und für uns ist es absolut gültig, dass die Sachen um die Menschen kreisen sollten und nicht umgekehrt.

    Aus diesem Gedanken heraus ist die Idee entstanden das Bezugssystem „sinnvoll Wirtschaften“ zu nennen, denn hier wird deutlich: Während der Mensch fähig ist Dingen einen Sinn zu geben, haben alle Menschen bereits aus sich heraus ihren eigenen Sinn. Bereits wenn sie auf die Welt kommen.

    Das ist unser bisher einziges, dafür aber umso gewichtigeres Entweder Oder. Wir schätzen es sehr, da es uns Bezug und Orientierung gibt und in dieser Wertschätzung verteidigen wir es auch vehement und polarisierend!

    Deshalb brauchen wir an dieser Stelle auch kein Reifegrad-Modell, denn wie gesagt, der Apfel fällt vom Baum, egal in welchem Bezugssystem.
    Was uns fehlt ist schlicht das Verständnis, dass das Universum um die Sonne und nicht um die Erde kreist. Allerdings wissen wir heute: Diesen Bezugspunkt zu akzeptieren ist nicht so ganz einfach! Denn es ergeben sich daraus weitreichende Konsequenzen – für alle und jede(n) – egal wo auf der Welt.

    Wenn es uns dabei an Reife fehlt, dann an derer zur Einsicht, Demut und Wachsamkeit.

    Philosophische Altjahresgrüsse
    Gebhard

  9. @ Thomas,
    solange Du Dich nicht eingehender mit der Idee von sinnvollem Wirtschaften beschäftigen willst und es weiterhin auf der Modelleben verstehst/ vergleichst, lohnt die Diskussion an dieser Stelle nicht ;).
    Danke für Deine Toleranz.

    Gruß
    Gebhard

    PS: Danke Stefan, dass Du dieses Forum immer wieder neu und derart offen bereit stellst!

  10. Hier noch eine wirklich wichtige Anmerkung von Immo Sennewald aus meinem Blog:

    Anzumerken wäre hier nur, dass es sich beim „Menschen im Mittelpunkt“ nicht um einen abstrakten Menschen („Menschenbild“) handeln kann, wie er in den Heilslehren des Marxismus-Leninismus und der sozialistischen Propaganda des „Neuen Deutschland“ konstruiert wurde, sondern um die Fähigkeit, die Position des jeweiligen Gegenübers, des anderen Menschen zum Mittelpunkt zu machen – also um ein recht eigentlich polyzentrisches Weltsystem anstelle des egozentrischen.
    Das ist mit dem Blick auf das Universum einleuchtend (jeder Mensch ist sein Universum), aber in der Praxis ebenso mit Mühewaltung und Lernprozessen verbunden, wie der Schritt vom Scheibenverständnis (durchaus alltagstauglich) zur Quanten- und Relativitätstheorie.

  11. Hallo Stefan,

    zuerst einmal Danke für die freundliche Erwähnung.

    Hallo zusammen,

    drei kurze Gedanken möchte ich zur Diskussion beitragen.

    Wie die Elemente, Führung, Management / Projektmanagement zusammenspielen werden wir wohl nie klären können – alleine der Management-Begriff wird in so vielgestaltiger Weise verwendet, dass wir da wohl nie zueinander kommen 😉 Ich selbst verwende sehr viel enger definierte Begrifflichkeiten, die eine ganz andere Abgrenzung und andere Teilmengen ergeben würden.

    Ich denke, dass die Diskussion über Modelle oder „nicht Modelle“ bei der Gestaltung sozialer (Wirtschafts-)Systeme mehr behindert als dass sie hilft. Auch die Verwendung naturwissenschaftlicher Analogien halte ich nicht für zielführend. In Unternehmen und Projekten sind wir mit sozialen Systemen konfrontiert. Modelle sind gut geeignet um gewisse Aspekte und Erfahrungswerte plausibel zu machen. Sie haben aber einen fundamentalen Unterschied zu naturwissenschaftlichen Theorien. Eine naturwissenschaftliche Theorie gestattet neben der plausiblen Erklärung bekannter Erfahrung eine Vorhersage von bisher unbekannten Effekten, sie gestattet zudem das Design eines reproduzierbaren Experiments. Das Design eines reproduzierbaren Experiments ist in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aufgrund der unvollständigen Bestimmung der Parameter und der permanenten Veränderung der Systeme sehr schwierig bzw. eine heikle ethische Frage.

    Damit komme ich zu meinem dritten Punkt. Letztendlich stehen wir vor einer Reihe von Wertefragen. Auf Basis welchen Wertesystems und welchen Menschenbilds wollen wir arbeiten, leiten, führen oder managen. Glauben wir an die Selbstständigkeit, die Verantwortung in den Menschen? Oder glauben wir an die Notwendigkeit jedem genau sagen zu müssen was er zu tun hat? Ist die Steigerung des Profits der „Priorität-1-Wert“ oder nicht? Diese Fragen muss sich m.E. jede(r) selbst stellen und Antworten finden.

    Zu guter Letzt wünsche ich Euch allen einen guten Start ins neue Jahr.

  12. Hallo Eberhard,

    vielen Dank für Deinen Beitrag!

    Ich erlaube mir, dazu folgende Gedanken zu äußern.

    1) Begrifflichkeiten: Du hast sicher vollkommen recht, dass die Vielfalt der Definitionen zu einer schier endlosen Diskussion führt. Trotzdem halte ich persönlich einen Diskurs darüber für nützlich und sogar notwendig, um das Bewusstsein für offensichtliche Fehlentwicklungen zu schärfen und gleichzeitig über Zukunftsperspektiven nachzudenken.

    2) Modelle: Ich denke, hier sollten wir differenzieren: a) Deterministische Modelle (wie z.B. in den Ingenieurswissenschaften, der Mathematik oder der Physik), mit denen Berechnungen über den aktuellen oder einen zukünftigen Zustands eines z.B. technischen Systems möglich sind und b) Modelle über soziale oder qualitative Zusammenhänge, mit denen derartige Berechnungen und Prognosen sicherlich nicht zulässig oder möglich sind. Trotzdem finde ich, benötigen wir auch qualitative Modelle, um unser Verständnis über Menschen in Organisationen weiter zu entwickeln.

    3) Werte: Egal, wie wir es bezeichnen (Werte, Bezugsrahmen…), natürlich ist das „der Pudels Kern“. Gleichzeitig beschleicht mich der Eindruck, dass gerade dieser Kern über eine kognitiv-rationale Auseinandersetzung (wie z.B. in Form einer schriftlichen Diskussion via Blog) nicht ausreichend fassbar ist. Braucht es hier nicht vielmehr ein gemeinsames Erleben, ein gemeinsames soziales „Event“, um auch das Unbeschreibbare zu verstehen (vgl. PM Camp)?

    Viele Grüße!

    Stefan

  13. Hallo Stefan,

    nur kurz …

    Braucht es hier nicht vielmehr ein gemeinsames Erleben

    klare Frage, klare Antwort: „JA“

    Die eingeschlafene Führungsdiskussion sollten wir unter einer besseren Überschrift real weiterführen – vielleicht sogar auf dem nächsten PM-Camp. Lass uns einen Schritt nach dem anderen gehen 🙂

    LG Eberhard

  14. Hallo Stefan,

    also ich fände es klasse, wenn wir uns mal wieder treffen könnten. Ich würde dann aber vorher noch Gebhardts Buch lesen. Sonst macht das kontroverse Diskutieren ja keinen Spaß 😉

    Die Idee das Gespräch in einer Umgebung mit Höhen, Tiefen, Weitblick – also ausgehend von einem eher ungewohnten Standpunkt – zu führen, finde ich dabei sehr gut.

    Wir können ja mal skypen und überlegen, wann so ein Treffen stattfinden könnte.

    Viele Grüße,
    Thomas

  15. Entweder das. Oder mal wieder ein Mindmap bei Mindmeister. Egal welches Medium – aber eine Gedankensammlung wäre super.

    LG
    Thomas

  16. @Gebhard und Nadja: Wenn ihr mir Eure E-Mail-Adresse zukommen lasst, dann kann ich Euch auch für das Dokument oben freischalten. Am besten ihr gebt Eure Adressen Eberhard oder Stefan. Die haben meine E-Mail Adresse.

    VG
    Thomas

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