Organisation, Führung und Management 2.0

Das Internet als „Lern- und Entwicklungsmedium“

In den letzten Jahren ist meine Überzeugung gereift, dass die intensive Auseinandersetzung mit dem Internet, Web 2.0, Social Software, Social Media etc. pp. nicht nur eine Freizeitbeschäftigung oder Zeitverschwendung darstellt. Vielmehr ist mir immer bewusster geworden, dass man als aktiver und intensiver Nutzer und Beitragender in den viel diskutierten „neuen Medien“ tagtäglich dazu lernen und profitieren kann. Einige Beispiele:

  • In den letzten 6 Jahren habe ich durch’s Bloggen hunderte wertvolle persönliche und geschäftliche Kontakte knüpfen dürfen. Diese Menschen und menschlichen Kontakte haben mein Denken und Handeln wesentlich geprägt.
  • Auf den diversen Sozialen Plattformen (Twitter, Facebook, Youtube, Slideshare etc.) nehme ich täglich interessante (Lern)Impulse auf, die für mich mindestens denselben Stellenwert haben wie ein „klassischer“ selbstgesteuerter Lernprozess (Literaturstudium, wissenschaftliches Arbeiten…) oder Seminare, Lehrgänge etc.
  • Und, was mir mittlerweile fast am wichtigsten erscheint: Im Internet passiert das, was Prof. Dr. Kruse als „Musterbildung“ bezeichnet (1 | 2). Jenseits der bewussten Wahrnehmung lernt unser Gehirn (Verhaltens)Muster, die jenseits unseres aktiven Verstehens liegen. Konkret bedeutet das, dass man als aktiver Nutzer und Beitragender des „neuen Internets“ im wahrsten Sinne des Wortes ein ausgeprägtes Gespür für gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen bekommt.

Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen: Das Internet wird niemals die persönliche und reale Begegnung zwischen Menschen ersetzen können! Aber in manchen Aspekten ist das Internet ein höchst effektives Lern- und Entwicklungsmedium, das komplett neue Potenziale und Chancen ermöglicht.

Organisation, Führung und Management 2.0

Vor dem Hintergrund meiner oben skizzierten Überzeugungen und Erfahrungen hat folgender WiWo-Gastbeitrag von Dr. Willms Buhse, Inhaber von doubleYUU, bei mir besonderes Interesse geweckt: „Welche Eigenschaften brauchen Leader?“

Darin beschreibt Dr. Buhse anhand praktischer Beispiele, welche Prinzipien und Werte derzeit im Web 2.0 und in der agilen Softwareentwicklung schon gelebt werden, die in Zukunft auch in (allen?) anderen Wirtschaftsbereichen Anwendung finden werden. Einige Hypothesen des Artikels sind:

  • Kollaborative, vernetzte und offene (Produkt)Entwicklungsprojekte können in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse erzielen (Bsp: „Local Motors„).
  • Professionelle Führungskräfte des 21. Jahrhunderts haben einen „digitalen Mindset“. Sie verstehen, wie das Internet funktioniert.
  • Die „Führungskraft 2.0“ hat Werte verinnerlicht, die für die Netzgemeinde selbstverständlich sind: „Offenheit, Transparenz, Agilität, Flexibilität und Dialogbereichtschaft.
  • Die agile (Software)Entwicklung macht uns vor, wie „klassisches Management“ durch selbstorganisierte Teams in weiten Teilen abgelöst werden kann. Kooperative Führung, Orientierung am großen Ganzen aber Vorgehen in kleinen Schritten, permanente Anpassung an Wandel und Veränderung und „echte“ Teamarbeit. So werden die Top-Unternehmen (bzw. Wertschöpfungs-Netzwerke) in Zukunft arbeiten!

Fazit: Willms Buhse hat einen tollen Artikel geschrieben, der die Grenzen zwischen der „analogen und der digitalen Welt“ verschwimmen lässt. Recht so, denn in Wahrheit wachsen die beiden Welten derzeit mit rasender Geschwindigkeit zusammen. Deshalb hat schon Peter Kruse am Ende seines vielbeachteten Vortrags 2010 bei der re:publica in Berlin gesagt: „Und bist Du nicht willig, so brauch ich… GEDULD.“

3 Gedanken zu „Organisation, Führung und Management 2.0“

  1. Hallo Herr Hagen,

    Ein sehr schöner Artikel. In den obigen 3 Punkten beschreiben Sie treffend, wie man tagtäglich lernen und profitieren kann, wenn man das Internet intensiv nutzt. Ich beobachte das an mir selbst und stimme da 100 % zu.

    Inwieweit die beiden Welten, analog und digital, wirklich auf breiter Front zusammenwachsen, da habe ich noch meine Zweifel. Ich befürchte, dass momentan die Schere eher weiter aufgeht.

    Klar, in der Softwareindustrie und überhaupt in High Tech Entwicklungen wird die Offenheit, Transparenz, Agilität, Flexibilität und Dialogbereichtschaft selbstverstänlicher – auch in der Führung.

    Aber wie sieht es in den anderen Bereichen, z.B. Produktion aus? Leider befürchte ich das es da noch wesentlich länger braucht bis sich was in den Unternehmen ändert. Da werden wir noch einiges an Geduld haben müssen…

    Herzliche Grüße
    Bernd Geropp

  2. Hallo Stefan,

    ja, ein „Hoch!“ auf uns Digital Nativen.

    Meine spontanen Gedanken:
    Wir Menschen sind (noch) ziemlich Analog. Digital ist nur die Technologie (das Werkzeug, die Sache). Dennoch, all die Dinge, die viele aktuell von der digitalen Welt lernen wollen sind rein menschlich. Offenheit, Transparenz, Agilität, Flexibilität und Dialogbereichtschaft ist einfach menschlich – nicht spezifisch digital oder spezifisch digital native.
    Hier kommen wir zu einem spannenden Thema, das wir schon oft diskutiert haben. Wer das vermehrt haben möchte, der muss verlangen, dass Menschen sich entscheiden.
    Wer offen und transparent sein will, kann – ja darf Informationen und Wissen nicht mehr zurück halten. Agilität heißt nicht zu verharren. Flexibilität bedeutet Starrheit aufzugeben und Dialogbereitschaft heißt, sich nicht mehr gegenüber anderen zu verschließen und sie zu ignorieren.

    So wie hier eine schöne Liste von Entweder-Oders entsteht, glaube ich, dass all dieses Verlangen in seiner Reinform NICHT richtig sein kann.
    Ich als Mensch empfinde mich als offen und transparent. Dennoch halte ich Informationen/ Wissen über mein Privatleben und meine Familie gezielt aus all meinen Onlineaktivitäten heraus.
    Ich bin ab und an sehr agil. Oft verharre ich allerdings auch gewollt und vollkommen bewusst.
    Ich empfinde mich als hochgradig flexibel und dennoch bekomme ich häufig zu hören, dass ich ein Dogmatiker bin – und perception is still reality; auch bei anderen.
    Bei Dialogbereitschaft musste ich sogar lachen – denn ein Dialog bedeutet für mich, den Austausch von Standpunkten und zwar gezielt ohne das Ansinnen eine gemeinsame Lösung zu finden. Meist ist mit Dialogbereitschaft Diskussionsbereitschaft gemeint und umgekehrt …

    Worauf läuft dieser Gedanke hinaus?

    Ich würde mich freuen, wenn es so einfach wäre, dass wir uns schlicht von den Digital Nativen abschauen müssten, wie es geht und schon ist alles gut. Allein mir fehlt der Glaube.
    Sowohl der Glaube, dass alles Gold ist, was dort genannt wird und zum anderen der Glaube, dass wir so simpel eine hoch komplexe Thematik auflösen.

    Ich meine der agilen Softwareentwicklung wird zu viel aufgebürdet, wenn man von ihr verlangt das klassische Management durch Selbstorganisation abzulösen.
    Die Thematiken liegen doch ein paar Schichten tiefer. Im kulturellen Bereich der Selbstzentrierung, der gewollten und geförderten Eigennutzenmaximierung, dem Fehlen von Gemeinwohlverständnis usw.

    Ich plädiere dafür aufzuhören den Menschen mit Best Practices (gestern waren es die Grünen, heute sind es die Digital Natives) zu kommen und endlich anzufangen eigenständiges Denken von uns zu verlangen.

    Wer das macht wird sehr schnell feststellen. Die ganze digitale Welt, von der ich ebenso profitiert habe und profitiere wie Du, Stefan, braucht es nicht. Es geht auch einfach von Mensch zu Mensch.
    Und wenn wir ehrlich sind, für die allermeisten gilt und wird auch in Zukunft gelten: Unsere Miete zahlt ein Kunde/ Chef/ Personaler aus Fleisch und Blut, zu dem wir eine analoge weil natürliche Beziehung haben. Nur einige wenige „Privilegierte“ schaffen es, sich von dieser analogen Beziehungsebene zu lösen …

    Fazit:
    Um in der digitalen Welt ein verlässlicher und menschlicher Partner zu sein ist es wohl Voraussetzung, dass man ein verlässlicher und menschlicher Partner ist. Nicht umgekehrt.

    Liebe Grüße
    Gebhard

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