Seit einigen Jahren hört und liest man immer wieder davon, wie die „Zukunft der Arbeit“ aussehen wird oder könnte. Meine Überzeugung ist, dass wir uns – getrieben durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien – inmitten eines grundlegenden Wandlungsprozesses befinden. Studien, Analysen und Hypothesen gibt es in diesem Zusammenhang zuhauf. Beispielhaft möchte ich auf folgende Artikel oder Videos verweisen:
- Prof. Dr. Peter Kruse: Risiken und Chancen in der Wissensgesellschaft (Vide0)
- Prof. Dr. Dirk Baecker: Thesen zur nächsten Gesellschaft (Video; Abhandlung von Heiko Kleve)
- Heidi Aichinger (derStandard): Wie anders wird Arbeit in Zukunft sein? (Artikel)
- Simone Janson (imgriff.com): Arbeitsformen der Zukunft: Gelebte Demokratie oder billige Sklavenarbeit? (Blog)
- Jörg Dirbach: 6-teilige Serie zur Zukunft der Arbeit (Blog)
In der letztgenannten Blogserie von Jörg Dirbach sind zwei interessante Grafiken enthalten:
Meta-sektorieller Strukturwandel
(von Harold Jarche)
Die Menschen spüren am eigenen Leib, dass wir uns rasant von links nach rechts bewegen. Die einfachen, auf Routine ausgelegten Tätigkeiten verschwinden immer mehr, werden von Maschinen übernommen oder in Billiglohnländer ausgelagert. Handwerkliche Arbeit und vor allem auch (vernetzte) Wissensarbeit nehmen rasant an Bedeutung zu.
Meine Hypothese: Projektmanagement (respektive vernetztes, projekt- und teamorientiertes Arbeiten) bildet die Speerspitze dieser Entwicklung. Denn neuartige, innovative und komplexe Aufgaben können vermehrt nur mehr in fachübergreifenden Teams bewältigt werden. Gleichzeitig steigen Risiko- und Unsicherheitsgrad in Projekten kontinuierlich an. Projektorientierte Arbeits- und Organisationsformen werden in der vernetzten Gesellschaft weiter an Bedeutung zunehmen.
100 Begriffe zur Arbeitswelt der Zukunft
(Quelle: ChangeX)
Es ist nicht überraschend, dass in der Liste auch etliche Begriffe vorkommen, die in der PM-Szene regelmäßig verwendet werden:
- Agilität
- Coopetition
- Coworking
- Design Thinking
- Dialog
- Dienstleistung
- Empathie
- Enterprise 2.0
- Exzellenz
- Fehlerkultur
- Flow
- Führung
- Integrität
- Intuition
- Kollaboration
- Kommunikation
- Kompetenz
- Komplexität
- Leidenschaft
- Lernen
- Mitarbeiterbeteiligung
- Netzwerk
- Nichtwissen
- Partizipation
- Persönlichkeitsentwicklung
- Professionalität
- Projektmanagement
- Qualifizierung
- Qualität
- Respekt
- Risikobereitschaft
- Scheitern
- Selbständigkeit
- Selbstorganisation
- Sinn
- Social Entrepreneurship
- Social Media
- Spitzenleistung
- Teilhabe
- Verantwortung
- Vertrauen
- Vielfalt
- Wertschätzung
- Zuverlässigkeit
Fazit
Wir müssen Projektmanagement in einem größeren Kontext betrachten, um die wirklich wichtigen Entwicklungspotenziale zu erkennen. Spontan fallen mir hierzu ein:
- Weiterentwicklung der PM-Ansätze: Die Herausforderungen an das PM werden weiter zunehmen. Die klassischen PM Ansätze und Methoden sind wichtig, um Projekte sauber zu planen und zu initiieren. Gleichzeitig müssen wir den agilen Prinzipien und Vorgehensweisen wesentlich mehr Bedeutung beimessen. Denn die deduktive Planbarkeit von Projekten ist in vielen Bereichen unmöglich geworden.
- Integration in die Unternehmensorganisation (Strategie, Struktur, Kultur): Projektmanagement ist nicht nur eine Arbeitsform (ein Werkzeug), sondern auch eine (häufig ergänzende) Organisationsform. Die strategische, strukturelle und kulturelle Einbettung von PM ist in den meisten Unternehmen noch nicht ausreichend erfolgt. In diesem Zusammenhang steht vor allem ein Paradigmenwechsel im Verständnis von Organisation, Führung und Management an.
- PM Professionalisierung: Last but not least müssen wir im Projektmanagement auch endlich professioneller vorgehen, um die Misserfolge im Projektgeschäft zu reduzieren. Dabei werden PM Zerfifizierungsprogramme und Trainings aber bei weitem nicht ausreichen. Vielmehr müssen wir Professionalität und Exzellenz in der Wissensarbeit neu definieren! Ansätze wie jener von Gunter Dueck (Professionelle Intelligenz) sind in diesem Zusammenhang essenziell. „Mittelmäßigkeit ist out, Exzellenz ist in“ propagiert Dueck völlig zu Recht.
Genug geredet. Lassen Sie uns handeln.
Danke für den guten Überblick.
Zu den Entwicklungspotentialen fällt mir auch eher spontan noch ein:
1) Ich glaube, wir müssen auch den Projektbegriff und die damit verbundenen „tiefen“ Vorstellungen und Bezeichnungen verabschieden. Was wir brauchen ist vielleicht ein neuer Begriff für diese Form der neuen, kreativen, wissens- und netzwerkorientierten Arbeit.
2) Professionalisierung absolut, auch eine methodische aber vor allem eine in den weichen Kompetenzen (Spirit und Begeisterungsfähigkeit, soziales Feeling und Kommunikations-Feeling, Einbindungs- und Beteiligungs-Feeling etc.)
3) und zum Dueck, das find ich auch beachtlich: http://www.youtube.com/watch?v=QxtDdEMp9w4&feature=player_embedded#!
unterstütze deine sicht voll und ganz! in die liste der ansätze zur zukunft der arbei möchte ich noch den sechsten kondratiev und die arbeit von fritjoff bergmann hinzufügen. und meine überzeugung, dass wir neben der entwicklung in der grafik nach rechts noch was tun werden: wir werden viel des bereits vorhandenen kombinieren. und wer kann die verschiedenen fakultäten und bereiche besser zusammenbringen als projektmanager! hach, ich bin die zukunft!! 😉
Ich bezweifle stark, dass jene Unternehmen, die bereits heute erfolgreicher als andere sind, dies durch besseres oder professionelleres PM bewerkstelligen. Ich glaube, dass das was IPMA, PMI & Co heute lehren, in der Theorie sehr interessant ist, in der Praxis zunehmend an Relevanz verliert.
Die Zukunft wird wohl viel mehr an Social Skills, Innovationskraft, Lernfähigkeit und Flexibilität in Bezug auf das Agieren in hochgradig komplexen Systemen erfordern. Ganz bestimmt wird es da auch hervorragender Leadership-Skills bedürfen – aber ob da noch Projektmanagement bzw „Projects as we know it“ eine wesentliche Rolle spielen werden? Einzig: warum sollten sie es, wenn sie möglicherweise bereits heute nicht den Erfolgskillerfaktor darstellen und sich unsere Systeme in Zukunft mindestens so dynamisch entwickeln werden 😉
lg, Michael
@Peter: 1) Wenn’s einen neuen Begriff braucht, so soll mir das recht sein.
@Nadja: Das „Zusammenbringen verschiedener Fakultäten und Bereiche“ erfordert tatsächlich gute Führungs- und Managementskills. Ob dann auf der Visitenkarte „Project Manager“ steht, ist sekundär.
Meine Überzeugung ist in jedem Fall, dass wir Manager/innen brauchen werden, die nach einem neuen Paradigma führen und koordinieren. Klar, verbindlich und professionell und gleichzeitig achtsam, empathisch und kommunikativ, um nur einige Attribute zu nennen.
@Michael: Ich denke, wir haben ein semantisches Problem (und kein inhaltliches). Mir ist nicht wichtig, dass wir „Projektmanagement“ dazu sagen. Für mich ist aber klar, dass jene Unternehmen, die neuartige und komplexe Problemstellungen (die tendenziell mehr werden) in cross-funktionalen Teams wirkungsvoll und effizient lösen können, einen signifikanten Wettbewerbsvorteil haben werden.
Für mich stellen „Social Skills, Innovationskraft, Lernfähigkeit und Flexibilität“ und Projektmanagement keine voneinander getrennten Kategorien dar. Vielmehr müssen die von Dir genannten Fähigkeiten ein integraler Bestandteil projekt- und netzwerkorientierter Arbeits- und Organisationsformen sein.
DANKE FÜR DIE ANGEREGTE UND ANREGENDE DISKUSSION!
Stefan
Ich denke ebenfalls, dass der Projektmanagement-Kompetenz eines Unternehmens und seiner Menschen einen weit gewichtigere Rolle zukommen wird und muss. Wobei sich die Grenzen von Unternehmen weiter aufweichen werden, so meine Einschätzung, da im Projektgeschäft die Organisationsforum „Firma“ nicht zwingend notwendig ist. Es gibt bereits heute in vielen Projekten keinen Grund mehr, warum das Projekt als Projekt eines bestimmten Unternehmens betrachtet wird. Es sind so viele unterschiedliche Beteiligte, die genauso gut eine Projektgesellschaft gründen könnten, wäre da nicht unnötiger Aufwand für zu treiben.
Interessanter Hinweis von Holger. Könnte insgesamt auf eine evolutionäre Entwicklung hinaus laufen, am Ende derer nur mehr sehr wenige Unternehmen „as we know it“ existieten und der herkömmliche Projektbegriff nur mehr in historischen Aufarbeitungen zu finden ist.