Es ist für mich immer wieder erstaunlich, welches Schattendasein Projektmanagement in vielen Unternehmen immer noch führt. Schwachstellen, denen ich häufig begegne, sind z.B.:
- Fehlender Fokus: Projektmanagement wird „nebenbei“ praktiziert. Konsequenzen sind u.a., dass Projekte mangelhaft initiiert und geplant werden, Projektleiter/innen zu wenig in ihrer Aufgabe unterstützt werden oder auch keine ausreichende zeitliche Freistellung von Projekt- oder Linientätigkeiten erfolgt, dass der/die Projektleiter/in das jeweilige Projekt sauber planen und steuern könnte.
- Linie vs. Projekt: Macht und Entscheidungsbefugnis sind größtenteils in der Linie konzentriert. Vor allem in fach- und bereichsübergreifenden Projekten treten Zielkonflikte zu Tage, die häufig zu Gunsten der Linieninteressen entschieden werden.
- Berufsbild „Projektmanager/in“: Es gibt kaum Karriereperspektiven für Projektmanager/innen. Gleichzeitig ist die PM Funktion (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung) vielfach nicht geklärt.
- Rahmenbedingungen: Linienführungskräfte und Projektauftraggeber sind sich nicht bewusst, dass die Verantwortung für gelingendes Projektmanagement wesentlich bei ihnen liegt. Denn sie sind dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, die erfolgreiche Projekt- und Teamarbeit überhaupt erst möglich machen.
- Qualifikation und Professionalität: Häufig werden Projektleiter/innen eingesetzt, die für die Leitung anspruchsvoller Projekte nicht ausreichend qualifiziert sind bzw. in anderen Funktionen (z.B. als Expert/in) besser eingesetzt wären.
Dabei bin ich davon überzeugt: Wenn projektorientiertes Arbeiten für die jeweilige Organisation von Bedeutung ist (was in der Regel der Fall ist) und diese Bedeutung vom Top Management auch erkannt wird (!), kann bereits ein einfaches PM Konzept zum Erfolg führen. In der Beratung arbeiten wir bereits seit über 10 Jahren mit diesen 5 Handlungsbereichen zur PM Professionalisierung:
Einige Beispiele für sinnvolle Maßnahmen in den einzelnen Handlungsbereichen sind:
Handlungsfeld | Maßnahmen (Beispiele) |
Organisation & Rollen |
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Methodik & Prozesse |
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Training & Coaching |
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Tools & Multi-PM |
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Projektkultur |
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In jedem Fall ist es ratsam, im Vorfeld eine (pragmatische aber ehrliche) Ist-Analyse (Reifegrad-Analyse) durchzuführen. So können Stärken weiter gestärkt und Schwächen bei Bedarf behoben werden. Die Struktur dieser Analyse kann sich nach den oben skizzierten Handlungsfeldern richten.
Fazit: Erfolgreiches Projektmanagement ist eigentlich gar nicht so schwierig. Allerdings müssen vom Management die richtigen Rahmenbedingungen / das richtige Systemumfeld geschaffen werden. Dann wird sich fast von selbst eine professionelle, ehrliche, unternehmerische und in Summe erfolgreiche Projektkultur entwickeln.
Hallo Stefan,
das Modell aus den vier (fünf) Handlungsfeldern stellt in meinen Augen eine pragmatische, und äußerst ganzheitliche Guideline für die PM-Professionalisierung im Unternehmen dar. Es gibt m.E. keine weiteren Handlungsfelder, die dieses Modell ergänzen können. Die Projektkultur würde ich jedoch nur bedingt als „Handlungsfeld“ betrachten. Organisation & Rollen, Methodik & Prozesse, Training & Coaching (Qualifikation) sowie Tools & Multi-PM sehe ich als die wesentlichen Eckpfeiler einer PM-Professionalisierung. Diese vier Handlungsfelder sind quasi das Rahmenwerk in denen Kulturmerkmale emergieren können. Sie stehen m.E. auch in direktem Zusammenhang und bedingen einander, „sofern“ man sich die „Professionalisierung des Projektmanagements“ auf die Fahne schreibt. Ein Management-Commitment und was darüber hinausgeht stellt dabei eine, wenn nicht sogar „die“ wesentliche und notwendige Bedingung für eine angestrebte Professionalisierung dar (wenn diese überhaupt angestrebt wird). Dass PM im Top-Management (wie ich häufig beobachte) als „wichtig“ erachtet wird, ist zwar ein Anfang, für diesen (Change-) Prozess jedoch bei weitem nicht ausreichend. Ist dies der Fall, ist die Bewusstseinsbildung und Sinnstiftung „Bottom-up“ in diesem Kontext sicherlich möglich, bedarf in meinen Augen jedoch erheblicher Ausdauer und Fingerspitzengefühls. In diesem Sinne vereint das fünfte Feld daher sowohl Grundlage als auch Vision einer PM-Professionalisierung ist damit viel zu wichtig um nur ein „Handlungsfeld“ zu sein. 😉
In Conclusio: ohne ein „echtes“ Management-Commitment geht fast nichts. Und wenn doch, dann nur sehr schwer und sehr langsam. Insgesamt bleibt eine (richtig durchgeführte und gelebte) PM-Professionalisierung aber eine Herkulesaufgabe, an deren Ende ein deutlicher Wettbewerbsvorteil und eine positive Unternehmens- und damit Projektkultur stehen „kann“.
Beste Grüße, Marc Vahlefeld
Hallo Marc,
danke für Dein Feedback!
Du hast recht: Projektkultur ist in dem Sinne kein Handlungsfeld, sondern immer eine INDIREKTE VARIABLE. Kultur (als die Summe aller Gewohnheiten in einer Organisation) kann immer nur indirekt verändert werden. Gleichzeitig ist aber auch klar: Gelebte Führung ist der stärkste kulturbildende Faktor in Unternehmen.
Ich sehe es genau wie Du: Die 4 Handlungsfelder sind das Rahmenwerk, in dem die Projektkultur wachsen kann und soll. Und: Projektmanagement kann nur nachhaltig optimiert werden, wenn es im GESAMTKONTEXT des Unternehmens betrachtet wird. Wir wenden in diesem Zusammenhang auch häufig das Neue St. Galler Management-Modell als Rahmenkonzept an. Es zeigt die wichtigsten Dimensionen, die bei der Gestaltung und Umsetzung eines tragfähigen PM-Ansatzes (hin zu einer professionellen Projektkultur) beachtet werden müssen.
Viele Grüße,
Stefan
Wir Deutschen lieben halt die Prozesse. Sie geben uns insbesondere die Gewissheit nicht für Misserfolge haftbar gemacht werden zu können, sofern man brav nachweisen kann, dass man sich genau an das gehalten hat, was irgendjemand mal festgelegt hat – und umgekehrt können sich die Prozessgeber immer damit herausreden ja nicht im Projekt selbst drin gesteckt zu haben und den Prozess daher nur nach bestem Wissen und Gewissen festgeschrieben zu haben.
Gerade da wir noch das Preussische in uns stecken haben jeden, der mal einen Fehler macht drakonisch zu bestrafen, und zu ersetzen, statt zu erkennen, dass hier jemand ist, der aufgrund direkter Erfahrung diesen Fehler jetzt mit geringerer Wahrscheinlichkeit wiederholen dürfte als ein neuer Kandidat, wollen die meisten Leute im typischen Unternehmensumfeld einfach nur aus der Schusslinie raus.
Solange die Führung eines Unternehmens nicht aktiv gegen diese Mentalität ankämpft und eine Kultur schafft, in der sich alle Beteiligten wieder am Unternehmenserfolg ausrichten – wo sie bereit sind auch mal Risiken einzugehen um potenziell bessere Wege zu begehen, solange wird eben jeder auf diese typisch deutsche Arbeitsmentalität zurückgreifen.