Kürzlich hat die EBH GmbH aus München den Projektgeschichtenwettbewerb 2012 durchgeführt. Oliver Knittel hat den Wettbewerb gewonnen. Er hat freundlicherweise angeboten, dass seine Geschichte auch hier veröffentlicht wird. Dieses Angebot habe ich natürlich gerne angenommen, da seine Geschichte ein (leider) alltägliches Thema im Projektgeschäft aufgreift. Viel Spaß beim Lesen!
Der Kevin wird es schon richten
Kennen Sie Hermann? Hermann war über 30 Jahre der Mister Softwareentwicklung in einem großen Konzern. Wieso „war“ fragen Sie jetzt wahrscheinlich? Keine Sorge, Hermann lebt noch. Er entwickelt jetzt aber keine Software mehr, sondern nur noch das Obst und Gemüse in seinem Schrebergarten. Früher, ja früher konnte man ihn alles fragen. In seinen über 30 Dienstjahren hat er als Chefentwickler fast jedes Bit und Byte umgedreht. Er hat sich für die Firma manches Wochenende um die Ohren gehauen. Wenn irgendwer eine Frage hatte. Hermann wusste einfach alles und war so was wie eine wandelnde Programmdokumentation.
Doch dann kam der Kevin. Bis vor kurzem hat der Kevin noch studiert. Jetzt ist der Kevin Unternehmensberater in einer großen amerikanischen weltweit agierenden Beraterfirma, einem Global Player des Consulting-Business. Kevin haben sie als erstes in einen dunklen Anzug gesteckt. Als zweite Amtshandlung hat er in Hermanns Unternehmen eine neue globale IT-Strategie eingeführt. Der Kevin hat nämlich ausgerechnet, dass es viel besser ist, die IT outzusourcen. Das stand auch so in seinen hübschen Power-Point-Folien. Deswegen passte Hermann nicht mehr in die globale IT-Strategie und Kevin hat ihn mit 55 aufs Altenteil geschickt.
Den Job von Hermann macht jetzt der Rashid, der aber nicht mehr in Deutschland, sondern in Bangalore, Indien sitzt. Weil der Rashid natürlich nicht weiß, was er programmieren soll, braucht er eine exakte Vorgabe, auf der genau steht, was er machen soll. Und im Gegensatz zu Hermann, der sofort beim Fachbereich auf der Matte stand, wenn ihm etwas komisch vorkam, programmiert der Rashid es so, wie es in der Vorgabe steht.
Weil aber das, was der Rashid abliefert nicht mehr so gut ist, wie das von Hermann, hat der Kevin noch einmal nachgelegt und sich eine neue Teststrategie ausgedacht: Es gibt jetzt einen Test-Manager, einen Testautomatisierungs-Manager, einen Testkonfigurations-Manager, einen Test-Designer und die Mitarbeiter vom Fachbereich wurden zu ISTQB-zertifizierten Testern ausgebildet. Zu der Testtruppe gesellen sich noch zwei Test-Consultants aus Kevins Firma. Und weil es so komplex geworden ist und somit schwer ist den Überblick zu behalten, gibt es jetzt noch einen Chief Complexity Officer (CCO). Praktischerweise kam der auch gleich von Kevins Firma.
Der neue Software-Entwicklungsprozess läuft noch nicht so rund, wie der Kevin sich das gedacht hat. Der Fachbereich ist nicht wirklich glücklich mit der neuen Software und die Controller haben auch nicht viel Spaß an Kevins neuer IT-Strategie, weil sie jetzt mehr bezahlen als vorher. Der Kevin sagt dann immer, dass es noch Anlaufschwierigkeiten gibt, die Einsparpotenziale aber bald gehoben werden. Da frage ich mich doch: War es wirklich so gut, den Hermann schon aufs Altenteil zu schicken?
Link: www.insure-it.com
Das kommt mir so bekannt vor 🙂
Ich denke, ich kenne ein paar Hermanns… und weiß auch ziemlich genau welche Firma so was empfiehlt.
Mit Rashid telefoniere ich auch des öfteren und muss ihm erklären, dass requirement documents nach der Übersetzung aus dem Deutschen ins Englische schon mal etwas uneindeutig werden können… was aber mit Verstand doch auch zu erkennen wäre … wäre!
Ja ich kenne Hermann 🙂
Jens