Wieder was gelernt…

Neulich durfte ich wieder mal was dazu lernen. Kurz zur Chronologie der Lernerfahrung:

  • Am 23.7.2012 habe ich auf dem Blog angekündigt, dass in den nächsten Tagen ein Gastbeitrag eines Studenten der FH Vorarlberg (ich halte dort als externer Dozent einige Stunden im Modul Projektmanagement) erscheinen wird. Thema und Titel des Beitrages: „Die Rolle der Emergenz im Projektmanagement“.
  • Am 24.7.2012 erschien der Gastbeitrag auf dem PM Blog. Er war zugegebenermaßen recht anspruchsvoll geschrieben und hat folglich auch für einige Diskussionen im Blog und auch auf der Facebook Seite gesorgt.
  • Am 28.7.2012 schrieb mir der besagte Student eine e-Mail, dass er sich bei einem Bewerbungsgespräch für ein Praktikum bei einer Stuttgarter Consulting Firma für den Beitrag rechtfertigen musste. Das Unternehmen wollte niemanden einstellen, der in dieser Art und Weise „in der Öffentlichkeit“ steht – und dann auch noch mit so vielen „negativen Kommentaren“.
  • Folglich habe ich den Beitrag am 29.7.2012 vom Blog genommen, damit er mit dem Namen des Studierenden in Suchmaschinen nicht mehr gefunden werden kann.

Folgende Punkte sollten meines Erachtens auseinander gehalten werden:

  1. Die konstruktiv-kritisches Diskussion zum Inhalt des Beitrags.
  2. Die Reaktion der besagten Consulting-Firma.

Ich möchte kurz meine Sichtweise zu Pkt. 2. darlegen:

  • Grundsätzlich hat mir das Ganze wieder mal bewusst gemacht, dass man (natürlich) digitale Spuren hinterlässt, wenn man Blogs schreibt, sich an Diskussionen beteiligt, in sozialen Netzwerken ist etc. Dessen sollte man sich stets bewusst sein.
  • Die Reaktion des besagten Unternehmens halte ich grundsätzlich für legitim – allerdings halte ich sie in dieser Form nicht für richtig.
  • Warum legitim? Es ist das gute Recht jedes Arbeitgebers zu entscheiden, welche Menschen Teil des Unternehmens werden sollen.
  • Warum nicht richtig? Wir sollten froh sein, wenn sich junge Menschen auf diese Art und Weise am „digitalen Diskurs“ beteiligen und sich der Kritik stellen. Denn es sind gerade die kontroversen Ideen und Beiträge, die uns inhaltlich weiter bringen.

Fazit: Das Verständnis vieler Unternehmen für die „digitale Welt“ ist nach wie vor gering. Allerdings müssen wir „digitalen Heavy User“ uns auch eingestehen, dass einige der Kritikpunkte völlig gerechtfertigt sind (vgl. aktuelle #DigitaleDemenz Diskussion). Andererseits wiederum würde ich mir mehr Offenheit in der Auseinandersetzung mit Social Media, Web 2.0 & Co. wünschen, denn nur so können wir die enormen Chancen nützen, die sich durch die informationelle Vernetzung ergeben (und nur so können wir auch die Gefahren wirklich kompetent erkennen und dagegen vorgehen).

Um es kurz zu machen: Prof. Dr. Peter Kruse hat die Thematik schon 2010 bei der re:publica in Berlin gut auf den Punkt gebracht: ES HANDELT SICH UM EINEN KAMPF KULTURELLER WERTEWELTEN – deshalb polarisiert das Internet so stark.

Ich weiß, ich wiederhole mich, aber trotzdem: Bitte lasst uns das Thema konstruktiv, differenziert und kritisch diskutieren. Und vor allem müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass es meistens um „unzureichend reflektierte Werte-Differenzen“ geht, um des mit den Worten von Prof. Kruse auszudrücken.

Projektgeschichtenwettbewerb 2012 – And the winner is…

Kürzlich hat die EBH GmbH aus München den Projektgeschichtenwettbewerb 2012 durchgeführt. Oliver Knittel hat den Wettbewerb gewonnen. Er hat freundlicherweise angeboten, dass seine Geschichte auch hier veröffentlicht wird. Dieses Angebot habe ich natürlich gerne angenommen, da seine Geschichte ein (leider) alltägliches Thema im Projektgeschäft aufgreift. Viel Spaß beim Lesen!

Der Kevin wird es schon richten

Kennen Sie Hermann? Hermann war über 30 Jahre der Mister Softwareentwicklung in einem großen Konzern. Wieso „war“ fragen Sie jetzt wahrscheinlich? Keine Sorge, Hermann lebt noch. Er entwickelt jetzt aber keine Software mehr, sondern nur noch das Obst und Gemüse in seinem Schrebergarten. Früher, ja früher konnte man ihn alles fragen. In seinen über 30 Dienstjahren hat er als Chefentwickler fast jedes Bit und Byte umgedreht. Er hat sich für die Firma manches Wochenende um die Ohren gehauen. Wenn irgendwer eine Frage hatte. Hermann wusste einfach alles und war so was wie eine wandelnde Programmdokumentation.

Doch dann kam der Kevin. Bis vor kurzem hat der Kevin noch studiert. Jetzt ist der Kevin Unternehmensberater in einer großen amerikanischen weltweit agierenden Beraterfirma, einem Global Player des Consulting-Business. Kevin haben sie als erstes in einen dunklen Anzug gesteckt. Als zweite Amtshandlung hat er in Hermanns Unternehmen eine neue globale IT-Strategie eingeführt. Der Kevin hat nämlich ausgerechnet, dass es viel besser ist, die IT outzusourcen. Das stand auch so in seinen hübschen Power-Point-Folien. Deswegen passte Hermann nicht mehr in die globale IT-Strategie und Kevin hat ihn mit 55 aufs Altenteil geschickt.

Den Job von Hermann macht jetzt der Rashid, der aber nicht mehr in Deutschland, sondern in Bangalore, Indien sitzt. Weil der Rashid natürlich nicht weiß, was er programmieren soll, braucht er eine exakte Vorgabe, auf der genau steht, was er machen soll. Und im Gegensatz zu Hermann, der sofort beim Fachbereich auf der Matte stand, wenn ihm etwas komisch vorkam, programmiert der Rashid es so, wie es in der Vorgabe steht.

Weil aber das, was der Rashid abliefert nicht mehr so gut ist, wie das von Hermann, hat der Kevin noch einmal nachgelegt und sich eine neue Teststrategie ausgedacht: Es gibt jetzt einen Test-Manager, einen Testautomatisierungs-Manager, einen Testkonfigurations-Manager, einen Test-Designer und die Mitarbeiter vom Fachbereich wurden zu ISTQB-zertifizierten Testern ausgebildet. Zu der Testtruppe gesellen sich noch zwei Test-Consultants aus Kevins Firma. Und weil es so komplex geworden ist und somit schwer ist den Überblick zu behalten, gibt es jetzt noch einen Chief Complexity Officer (CCO). Praktischerweise kam der auch gleich von Kevins Firma.

Der neue Software-Entwicklungsprozess läuft noch nicht so rund, wie der Kevin sich das gedacht hat. Der Fachbereich ist nicht wirklich glücklich mit der neuen Software und die Controller haben auch nicht viel Spaß an Kevins neuer IT-Strategie, weil sie jetzt mehr bezahlen als vorher. Der Kevin sagt dann immer, dass es noch Anlaufschwierigkeiten gibt, die Einsparpotenziale aber bald gehoben werden. Da frage ich mich doch: War es wirklich so gut, den Hermann schon aufs Altenteil zu schicken?

Link: www.insure-it.com