GPM-Studie: Misserfolgsfaktoren im Projektmanagement

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Die GPM – die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement – hat kürzlich eine Untersuchung zum Thema „Misserfolgsfaktoren im Projektmanagement“ durchgeführt. Bewusst wurde von den Erstellern der Studie die negative Perspektive eingenommen. Angesichts der nach wie vor hohen Quote an gescheiterten Projektvorhaben erscheint mir dieser Ansatz sehr legitim und auch sinnvoll.

Diese 7 Kategorien wurden untersucht:

  1. Projektvorbereitung und Vertragsgestaltung
  2. Projektziele und Projektplanung
  3. Projektleitung/Projektumsetzung/Steuerung
  4. Projektteam und interne Zusammenarbeit
  5. Zusammenarbeit mit externen Akteuren
  6. Komplexität
  7. Rahmenbedingungen des Projektmanagements

Kritik

Auf die Ergebnisse möchte ich gar nicht näher eingehen, die können Sie sich hier kostenlos herunter laden und „zu Gemüte führen“. Ich möchte jedoch kurz auf die Ergebnisse und die Methodik der Studie eingehen:

  • Die meisten Ergebnisse sind für mich nachvollziehbar und schlüssig. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von den unzähligen Untersuchungen, die zu dem Thema bereits zuvor durchgeführt wurden.
  • Für mich stellt sich jedoch generell die Frage, ob uns derartige, quantitative Untersuchungen im Projektmanagement wirklich weiter bringen? Denn bekannt sind die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren ja schon seit Jahrzehnten – offensichtlich führen die Erkenntnisse aber nicht zu einem neuen Bewusstsein in puncto Projektmanagement. Zumindest nicht in der Breite.
  • Methodisch sehe ich 2 Hauptprobleme: a) Angesichts der Zusammensetzung der Stichprobe gehe ich davon aus, dass primär GPM Mitglieder befragt wurden. Es stellt sich für mich die Frage, ob Mitglieder eines PM Verbandes nicht schon eine sehr spezifische (einseitige?) Sichtweise auf das Thema haben? b) Projekte sind komplexe, soziale Systeme. Die Suche nach Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren impliziert allerdings ein kompliziertes System. Dadurch wird ein mechanistisch-deduktives Verständnis im Projektmanagement gefördert.

An meine Kollegen von der GPM: Ich äußere hier zwar Kritik, habe aber natürlich auch keine abschließende Lösung für die Problematik. Klar ist für mich aber folgendes:

  • Wir brauchen neue Ansätze, einen neuen, offenen Dialog zur Weiterentwicklung des Projektmanagements.
  • Wir müssen den Dialog mit möglichst vielen Menschen führen, die tagtäglich in Projekte involviert sind (nicht nur mit dem „inner circle„). Für besonders wichtig halte ich in diesem Zusammenhang die Bewusstseinsbildung in den Führungsetagen der Unternehmen.
  • Ich habe die starke Vermutung, dass die Lösungen für die Probleme im Projektmanagement wahrscheinlich gar nicht im Projektmanagement zu finden sind. Wir müssen mit einem wesentlich breiteren Verständnis an die Thematik heran treten. Eine Schlüsselfrage könnte lauten: „Wie kann Zusammenarbeit in Organisationen im 21. Jahrhundert gelingen?“
  • Und bezugnehmend auf meinen Blogpost von letzter Woche stelle ich mir die Frage: Haben wir das Problem überhaupt ausreichend durchdrungen? Und finden wir die Lösung auf derselben Ebene, auf der das Problem entstanden ist?

In jedem Fall danke ich den Kollegen von der GPM für diese aktuelle Studie, denn sie hat mich zumindest angeregt, wieder mal über das Thema nachzudenken. Insofern hat sie bei mir den Zweck wohl erfüllt 😉

9 Gedanken zu „GPM-Studie: Misserfolgsfaktoren im Projektmanagement“

  1. Hallo Stefan,
    Deine Schlüsselfrage trifft für mich sehr schön den Punkt und sehr ähnliche Gedanken beschäftigen mich nicht zu letzt seit dem PM Camp 2012.

    Ich teile Deine Auffassung, dass wir uns nicht fragen sollten: „Wie muss sich Projektmanagement ändern, um bessere, erfolgreichere Projekte enstehen zu lassen?“.

    Schiebt man das „-management“ im PM mal beiseite, landet man ziemlich schnell beim Projektteam. Die Umsetzer, die Ergebnislieferanten, die – aus meiner Sicht – Erfolgsgaranten.

    Wenn man sich mit PM beschäftigt, lernt man, dass Projekte einzigartige, zeitlich begrenzte Vorhaben sind. Darin liegt der Kern. Projekte sind eine besondere (ich verwende bewusst nicht einzigartige) Form der Zusammenarbeit. Wir versuchen viel zu sehr an PM-Methoden „rumzdoktoren“. Wie oft sind die Bedingungen, kommunizierten Erwartungen, Zeitbudgets, tatsächlichen Unterstützungen durch Vorgesetzte gegenüber dem Team ein Hauptrisiko von Beginn an in Projekten? Es werden Dinge versprochen, die Teams von Stunde „Null“ an demotivieren, weil sie konträr zur strategischen / Unternehmens-philosophischen Zielen stehen oder schlicht für jeden erkennbar unrealistisch sind. Ich spreche erst gar nicht über die Politisierung von Vorhaben und einer dahinterliegenden destruktiven Absicht.

    Agile Frameworks fokussieren sich häufiger auf das Team, Trends zu personenbezogenem PM zeigen Handlungsbedarf auf. Oft krankt es in der Linienorganisation und man wundert sich dann, dass Projekte nicht laufen. Wir haben das am Ende des PM Camps schön umrissen und Jens Hoffmann hat die sehr schön weitergeführt: http://www.23actions.com/2012/11/von-apfeln-und-birnen-oder-der-notwendigkeit-der-dekonstruktion-des-managements/

    Ich bin gespannt auf das PM Camp 2013.

    1. Hi Wieland,

      danke für Deinen Input!

      Ich denke auch, dass wir an gewissen Punkten eine Dekonstruktion bzw. Konkretisierung des Projektbegriffs und der entsprechenden (Projekt)Managementpraktiken brauchen. Meine Befürchtung ist allerdings, dass wir dann recht schnell bei Allgemeinplätzen oder unzulässigen Vereinfachungen anlangen werden.

      Ein Lösungsansatz könnte sein, dass wir noch stärker als bisher mit den Prinzipien und Werten auseinander setzen, die für gelingende Zusammenarbeit (besonders in unsicheren Kontexten) zwingend notwendig sind. Solche Prinzipien sind in der systemischen Organisations- und Führungslehre recht klar definiert. Auch gefällt mir die Beschreibung von Eli Goldratt, der von „inherent simplicity“ spricht.

      Viele Grüße, Stefan

  2. Hallo Herr Hagen,
    sehr guter Artikel! Er legt – bei allem Respekt vor den Leistungen und der Bedeutung der GPM – den Finger in die Wunde, und nur das bringt uns weiter: Wir PM-Leute schmoren zu sehr im eigenen Saft, die ganze Kiste ist zu selbstreferentiell.

    Zu Ihren beiden Schlüsselfragen:
    1. Haben wir das Problem überhaupt ausreichend durchdrungen?
    Klares Nein.
    2. Und finden wir die Lösung auf derselben Ebene, auf der das Problem entstanden ist?
    Ja, aber das ist eben nicht die PM-Ebene! Dort entdecken wir ja nur die Symptome, nicht die wahren Ursachen der Fehlentwicklungen. Nach meiner Erfahrung liegen die „tödlichen“ Schwachstellen fast immer im Bereich der Psychologie und der Philosophie.

    Wieland Rhenau beispielsweise schreibt in seinem Kommentar (den ich im übrigen für absolut schlüssig und zutreffend halte): „Projekte sind eine besondere (ich verwende bewusst nicht einzigartige) Form der Zusammenarbeit.“ Warum so bescheiden? Warum stehen wir nicht dazu, dass jedes echte Projekt ein einzigartiges Ding ist? Dass das Ende eines bedeutenden Projekts ein kleiner Tod ist?

    Ich behaupte, das ist genau der Punkt: Wir müssen die Bedeutung des Projekt-Begriffs wirklich durchdringen (siehe Frage 1). Wir müssen so hartnäckig sein wie Sokrates und versuchen, die Dinge zu Ende zu denken: Was ist Gerechtigkeit? Was heißt Tapferkeit? Was bedeutet Deadline? Im letzteren Fall zeigen Großprojekte wie BER oder Stuttgart, dass die Begriffe leider immer wieder verwässert, verniedlicht, verramscht werden.

    Gegenbeispiel: FC Bayern München – die Jungs, allen voran der alte Jupp Heynckes, schmoren nicht nur im eigenen Saft, sie zeigen uns: Erstklassiger Fußball ist nicht nur eine Frage von Technik, Strategie und Taktik, es ist vor allem eine Charakterfrage. Es geht um Fairness und Freundschaft trotz härtester Rivalität, um Tapferkeit und Disziplin (nicht jetzt schon saufen, wir wollen noch die Champions League gewinnen!).

    Ein anderes Beispiel habe ich vorgestern auf Spiegel Online gefunden. Dort geht es um das Studentenradio Kölncampus und das Thema „statt Turbo-Studis: Träumer und Querdenker – verzweifelt gesucht von Personalchefs“; vielleicht machen Sie mal einen kurzen Gegenbesuch auf meiner Blog-Seite, wo ich darüber berichte ;-).

    Herzliche Grüße
    B. M. Scheurer

    1. Hallo Hr. Scheurer,

      sorry für die späte Antwort – ich habe Ihren Kommentar ehrlich gesagt im Eifer des Gefechts übersehen.

      „Psychologie und Philosophie“ sind zwar in dem Zusammenhang nicht meine Begriffe, ich denke aber trotzdem, dass wir inhaltlich auf einer Linie sind. Gerade die Durchdringung des Projektbegriffs halte ich für zwingend notwendig.

      Viele Grüße!

      Stefan Hagen

  3. Guten Tag.

    Zunächst vielen Dank für Ihre Beurteilung.
    Mir persönlich fehlt nach Projekten allzu oft eine richtige (vor allem ehrliche) Feedbackrunde. Insbesondere je unvorteilhafter das Projekt beendet wurde, umso schneller möchten die Beteiligten sich davon distanzieren. Der angesprochene „kleine Tod“ kann dann gar nicht schnell genug erfolgen und der Lerneffekt strebt gegen Null.
    Außerdem ist die Zeit dann auch immer entscheident; das nächste Projekt wartet sicher schon.
    Daher wundert es mich ehrlich gesagt auch nicht, dass sich die Fehler immer wiederholen.

    Freundliche Grüße,
    T. Stiriz

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