Gerade habe ich eine interessante Meldung gelesen: „Project Management Institute (PMI) […] meldete heute die Übernahme von ProjectManagement.com und ProjectsAtWork.com, zwei der größten Internetressourcen für Projektmanager und Fachberater.“
Dabei gehen mir spontan zwei Gedanken durch den Kopf:
- Das Project Management Institute hat, wie auch die anderen großen PM Verbände, nach wie vor eine wichtige Funktion, um die Profession des Projektmanagements voran zu bringen und grundsätzliche Standards (besonders in puncto Terminologie) zu definieren und zu deren Weiterentwicklung beizutragen.
- Andererseits widerstrebt mir die Grundhaltung, die ich häufig hinter großen PM Verbänden vermute, zutiefst. Damit meine ich den Anspruch: „Wir sind Projektmanagement.“
Die beiden Gedankengänge werde ich nun etwas detaillierter ausführen.
Warum PM Verbände nach wie vor wichtig sind.
Es gibt viele Gründe, warum PM Verbände für die Weiterentwicklung des Projektmanagements nach wie vor wichtig sind. Spontan fallen mir ein:
- PM Standards und Publikationen, die zu einem einheitlichen Verständnis im Projektmanagement beitragen. Dieses Verständnis bildet häufig die Grundlage für innovative Impulse, denn sonst werden Zukunftsüberlegungen häufig beliebig.
- Veranstaltungen und Plattformen, die den Dialog und die Vernetzung unter Projektmanager/innen und PM Interessierten ermöglichen.
- Interessensvertretung und Sichtbarkeit der PM Profession, indem in großen PM Verbänden Kräfte und Meinungen gebündelt werden.
Besonders zu begrüßen ist es natürlich, wenn sich in Verbänden nicht nur „Bewahrer/innen“ tummeln, sondern auch Menschen, die Etabliertes hinterfragen und frisches Denken und frische Impulse in die Verbandsaktivitäten bringen. Hierbei denke ich beispielsweise an meinen geschätzten Kollegen Olaf Hinz, der neuerdings Mitglied des Kuratoriums der GPM (Gesellschaft für Projektmanagement) ist.
Warum ich PM Verbände auch kritisch sehe.
Hier einige Gründe, warum ich meine Mitgliedschaft bei PMI vor einigen Jahren zurück gelegt habe:
- Kommerzialisierung: Häufig entsteht bei mir der Eindruck, dass der Fokus für das eigentlich Wesentliche in großen Verbänden (nicht nur im Bereich Projektmanagement) mit der Zeit verloren geht. Der Grundgedanke müsste meines Erachtens sein, das Thema und damit auch die Profession voran zu bringen. Dieser Leitidee sollten alle Aktivitäten folgen. Die Seminar- und Zertifizierungsmaschinerie, die sich insbesondere im Projektmanagement in den letzten Jahren etabliert hat, widerspricht dieser Leitidee meines Erachtens in großen Teilen.
- Umgang mit Wissen: Mir ist bewusst, dass PM Verbände Einnahmen generieren müssen, um ihre Aktivitäten und die Struktur zu finanzieren. Gerade bei der Verbreitung des Wissens sollten PM Verbände meines Erachtens aber wesentlich offener agieren. Beispielsweise finde ich, dass PM Standards (z.B. das PMBOK bei PMI oder die ganzen Normen im Kontext der GPM) zumindest als PDF frei verfügbar sein sollten. Damit könnten diese Unterlagen beispielsweise für Kurse und Lehrgänge (an Hochschulen aber auch im freien Markt) wesentlich einfacher angewendet werden. Dies würde der Leitidee von PM Verbänden, wie ich sie sehe (siehe Pkt. 1), wesentlich besser entsprechen.
- Augenhöhe und Respekt: In meiner „aktiven Zeit bei PMI“ hatte ich häufig den Eindruck, dass es mehr um den Schein als um das Sein geht. Damit meine ich, dass mir die Kongresse und Veranstaltungen, an denen ich teilnahm (zugegebenermaßen waren diese vor allem 3 Weltkongresse in den USA), als reine Marketing- und Selbstbeweihräucherungsorgien vorkamen. Dieser Eindruck entstand u.a. auch dadurch, dass die Redner und Referenten häufig ältere Herren waren, die den anderen Teilnehmer/innen erklären wollten, wie die (PM-)Welt funktioniert. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich habe höchsten Respekt vor sehr vielen älteren Menschen, die ihre Erfahrungen oder sogar ihre Weisheit mit anderen Teilen. Etwas sensibel bin ich aber dann, wenn die Offenheit oder der Respekt fehlt (unabhängig vom Lebensalter), sich mit den Gedanken und Meinungen der anderen Menschen auseinander zu setzen. Wenn Kommunikation eben nicht auf Augenhöhe erfolgt.
Fazit
Zurück zum Urspungsthema: Ich sehe die Übernahme der genannten – vor allem im englischsprachigen Raum sehr populären – PM Internetplattformen durch PMI sehr kritisch. Bei mir entsteht der Eindruck, dass PMI dadurch die Definitions- und Informationshoheit im Projektmanagement weiter ausbauen möchte. Die Haltung und das Weltbild, das ich dahinter vermute, löst bei mir Bauchgrummeln aus. NSA lässt grüßen…?
Auf den Punkt gebrachten, danke.
Was mich persönlich bei den Instituten stört, ist dieses Absolute. Projektmanagement ist doch keine harte Wissenschaft, deshalb kann es doch kein absolutes Richtig oder Falsch geben. Hinterfragen muss doch erlaubt sein. Statt sich nur mit dem „Was“ zu beschäftigen, sollte es mehr um das „Wie“ gehen.
Sehr schöner Artikel!
Ich hatte ähnliche Gedanken, als ich die Meldung gelesen habe.
Prinzipiell halte ich die Arbeit der Verbände für eine gute Sache. Jedoch fehlt mir häufig der praktische Ansatz. Auch im Zertifizierungsbereich wird häufig das Einhalten der Normen wichtiger eingestuft als der pragmatische Weg, den Projektmanager in der Praxis häufig benötigen.
PMI wird ja sicher ein Ziel mit dieser Übernahme verfolgen. Ich bezweifle, dass dieses positive Auswirkungen haben wird.
Lieber Stefan, das sind tatsächlich unerfreuliche Tendenzen. Ich würde mir auch wünschen, dass die großen Verbände mehr die Weiterentwicklung der Profession Projektmanagement im Auge hätten und weniger ihr Konto. Das haben wir vor zwei Jahren hier bei Dir im Blog schon kritisiert und als Antwort darauf openPM ins Leben gerufen. Diese Antwort möchte ich hier und heute nochmals bekräftigen.