Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des PM Camp Dornbirn (20.-22.11.2014) ist die Idee entstanden, eine Blogparade zum Thema „Beyond Project Management“ zu initiieren. Marcus Raitner hat den entsprechenden Aufruf veröffentlicht.
„Beyond Project Management“ ist mir aus drei Gründen ein Anliegen:
- Die vielfältigen Überlegungen um die (Weiter)Entwicklung des Projektmanagements können nur erfolgreich sein, wenn wir die Grenzen der PM-Disziplin bewusster ziehen. Ansonsten ist irgendwie alles und nichts „Projektmanagement“ – und die Diskussion wird beliebig und oberflächlich.
- Die verschiedenen Denkrichtungen und Ansätze im Projektmanagement (klassisch, agil…) sind nicht gut oder schlecht. Sehr wohl aber sind sie adäquat und wirkungsvoll – oder eben nicht. Klar sollte aber sein: Projektmanagement macht nur dann Sinn, wenn es sich auch tatsächlich per Definition um Projekte handelt. Entsprechend sollte der Titel der Blogparade vielleicht eher „Beyond Projects“ lauten?
- Vermeintliche Expert/innen (insbesondere Berater/innen wie ich) sind verleitet, für jede aufkommende Frage sofort eine Lösung parat zu haben. So sind im Projektmanagement über Jahrzehnte hinweg nichtssagende Patentrezepte entstanden. Was wir aber in einer komplexen Welt brauchen, ist ein Bewusstsein für die richtigen Fragen (die zum Ursprung der Probleme führen). Echtes Umdenken ist gefragt, nicht das Wiederholen der „alten Weisheiten“, die uns in der Praxis offensichtlich nicht mehr weiter bringen.
Hier nun einige meiner Thesen zu „Beyond Project Management“:
1) Projekte wird es immer geben. Aber was kommt danach?
Auch wenn vielleicht durch einige meiner Blogbeiträge ein anderer Eindruck entstanden ist: Ich bin davon überzeugt, dass es auch in Zukunft Projekte geben wird. Entsprechend brauchen wir auch weiterhin (gutes und richtiges) Projektmanagement.
Aber:
- Projekte können sehr unterschiedlich sein (z.B. in Bezug auf das jeweilige Problem, das Umfeld oder die Größenordnung). Entsprechend gibt es auch nicht „das richtige Projektmanagement“. (vgl. Projekt ≠ Projekt. Projektmanagement ≠ Projektmanagement.)
- Projekte sind immer komplexe soziale Systeme. Ein mechanistisches Welt- und Menschenbild ist völlig ungeeignet, um Projekte zu führen.
- Es gibt Probleme jenseits von Projekten (also „beyond projects“). Hier ein Abgrenzungsvorschlag (vgl. Das Ende der Planbarkeit?):
- Routineaufgaben
- Projektaufgaben
- Pionieraufgaben
- Entwicklung im Projektmanagement bedingt vor allem auch, dass wir uns trauen, weiter zu denken. Über den viel zitierten Tellerrand hinaus.
These 1: Lassen wir Projektmanagement Projektmanagement sein, und wenden wir es dort in einer (hoffentlich sinnvollen Art und Weise) an, wo wir es mit abgrenzbaren und einigermaßen planbaren Projekten zu tun haben.
These 2: Wenn wir „Agile / Agiles Projektmanagement“ als Teil der PM Disziplin sehen (siehe Grafik oben), dient diese Evolution dem Projektmanagement nur dann, wenn wir die Gemeinsamkeiten aber auch die Unterschiede der verschiedenen PM Ansätze benennen können. Sonst verliefen die Ansätze an Wirkung und Kraft, und die Diskussion wird beliebig.
2) Es lebe der Widerspruch: Unterscheide, ohne zu trennen.
Unser westliches Denksystem ist nach wie vor vom Rationalismus geprägt. Vernünftig ist gut – unvernünftig ist schlecht. Ordnung ist gut – Chaos ist schlecht. Schnell ist gut – langsam ist schlecht. Entweder – oder. Ursache – Wirkung (etc. pp.). (vgl. Mechanistisches vs. ganzheitliches Denken und Handeln)
Dieses Denken führt uns in einer komplexen, bunten und vielschichtigen Welt geradewegs in eine Sackgasse. Denn wir sind tagtäglich mit Widersprüchen und Paradoxien konfrontiert, besonders im Management.
These 3: Unterschiedliche Denkansätze im Projektmanagement sind eine Bereicherung. Gleichzeitig sind diese nicht generell richtig oder falsch, sondern vielmehr in der jeweiligen Situation passend oder eben nicht. Entsprechend sollten wir die Ansätze unterscheiden, ohne sie zu trennen. Nur der wertschätzende und offene Dialog bringt uns weiter (vgl: „Atomisierung der Gesellschaft“ von Prof. Dr. Herbert Pietschmann). Gleichzeitig muss es bei aller gedanklichen Offenheit legitim sein, Position zu beziehen und für seine Meinung einzustehen. Ein klassischer Widerspruch.
3) Zurück zum Ursprung: Worum geht es im Kern?
Wie bereit zuvor erwähnt, ist es meine Überzeugung, dass wir in vielen Fällen zu oberflächlich mit gewissen Themen umgehen, vor allem im Kontext Organisation, Führung und Management. Dabei vergessen wir, was die eigentlich wichtigen Fragen sind, mit denen wir uns in Projekten (und anderswo) beschäftigen sollten.
Das Modell, welches mir in diesem Zusammenhang für praktikabel erscheint, sind die „Logischen Ebenen“ nach Bateson / Dilts:
These 4: Der Kern allen Projektmanagements (Purpose) ist wahrscheinlich, komplexe, neuartige Probleme (= Projekte) in ein Ergebnis zu transformieren, welches für die betreffende Organisation von Wert ist.
These 5: Klassisches und agiles Projektmanagement verbindet wahrscheinlich „nur“ ein gemeinsamer Sinn. Alle darunter liegenden Ebenen (Identität, Werte, Glaubenssätze…) unterscheiden sich teilweise stark (vgl. Projektmanagement ≠ Agile).
These 6: Klassische und agile PM Ansätze haben zwar vordergründig denselben „Purpose“ (nämlich Projektaufgaben erfolgreich zu bewältigen), allerdings entspringen sie völlig unterschiedlichen Organisationsverständnissen (vgl. Agiles Manifest).
Fazit
Die Diskussion zu „Beyond Project Management“ hat gerade erst begonnen. Ich selbst verstehe mich als ein „täglich Lernender“, der seine Gedanken und Ansichten zu dem Thema zuerst ordnen muss. Hierzu sind kollaborative Lernprozesse, wie wir es hier praktizieren, überaus wertvoll und wichtig.
Ich freue mich auf den weiteren Dialog auf den verschiedenen Blogs, auf openPM und vielleicht sogar beim PM Camp in Dornbirn?
Danke für Deinen Beitrag zur Blogparade, die ja Deine Idee war! Ich freue mich schon sehr auf Diskussion beim diesjährigen PM Camp!
Zu These 5: So gesehen ja. ich finde es allerdings befremdlich, die logischen Ebenen auf eine „Sache“ wie Projektmanagement anzuwenden. Dinge haben ja schließlich kein Verhalten. Für mich gehören die Ebenen zu einer Betrachtung von Personen.
Und dann ergibt sich zum Beispiel: Ich habe den Glaubenssatz, dass für unterschiedliche Projekte verschiedene Lösungen (im Sinne von Prinzipien, Praktiken, Methoden, etc.) geeignet sind [Belief]. Wenn ich dann noch dazu fähig bin und die Organisation es zulässt [Capability], werde ich auch dementsprechend handeln [Behaviour].
Projektmanagement ist für mich nichts Abstraktes, sondern es geht um den Versuch, komplexe soziale Systeme zu gestalten, zu beeinflussen, zu steuern. Entsprechend kann das Modell meines Erachtens sehr wohl auf eine „Sache“ wie PM angewendet werden.
Fazit: PM wird immer von Menschen praktiziert. Und die Frage, in welchem Bewusstsein dies getan wird und in welchem Kontext, ist meines Erachtens sehr wohl von Relevanz.
Diesem Fazit kann ich uneingeschränkt beipflichten!
„Ein Bauprojekt lebt davon, dass alle Projektbeteiligte ein gemeinsames Ziel verfolgen und eigene Interessen dem unterordnen. Mit der freiwillig erklärten Bereitschaft (Auftrag, Vertrag) am Projekt mitzuwirken stimmen sie diesem Grundprinzip zu. Mit welchen Werkzeugen aus dem Topf „Projektmanagement“ sie sich dann organisieren und konsequent arbeiten ist zweitrangig.“