In der Online-Ausgabe der Computerwoche ist kürzlich der Artikel „Wie sich Projektfehler vermeiden lassen“ (Tipp: Druckversion) erschienen. In der Einleitung des Artikels heißt es:
„Das beste Projekt-Management-Werkzeug nützt nichts, wenn die Steuerungskompetenz fehlt. Methoden wie Prince2 oder PMBoK können hier helfen.
Sieben von zehn Projekten sind Fehlschläge, sagt die Standish Group. Mit dieser Erkenntnis sorgt das Marktforschungsunternehmen nach wie vor für Schlagzeilen – offenbar deshalb, weil sich die Situation immer noch nicht gebessert hat. Die Mehrzahl der Vorhaben wird zwar irgendwie beendet, kostet aber deutlich mehr Zeit und Geld als veranschlagt und/oder erreicht die vereinbarten Ziele nicht.
Etablierte Projekt-Management-Methoden wie Prince2 (Projects in Controlled Environments) oder PMBoK (Project Management Body of Knowledge) sollen helfen, die Projekte ins Ziel zu bringen. Aber was haben sie tatsächlich zu bieten, wenn es gilt, die größten Projektfehler zu vermeiden? Diese Frage stellte die COMPUTERWOCHE einer Handvoll ausgewiesener Prince2- und PMBoK-Experten.“
Soweit – so gut. Aber ist es wirklich so, dass PM Standards ein Allheilmittel sind, um Projektfehler zu vermeiden? Ich denke nicht. Aber erst einmal Schritt für Schritt.
In dem Artikel nehmen Experten zur Anwendung von „Projekt-Management-Methoden wie PRINCE2 oder PMBoK“ Stellung. Mein erster Kritikpunkt bezieht sich auf die Bezeichnung „Projekt-Management-Methoden“. Denn PRINCE2 ist aus meiner Sicht ein PM Standard und gleichermaßen auch eine PM Methodik (engl. Project Management Methodology), das PMBoK von PMI ist ein PM Rahmenwerk und ein international anerkannter PM Standard (aber sicher keine PM Methodik!). Was ich unter einer PM Methodik verstehe, findet Ihr übrigens HIER.
Worum geht es in dem Artikel inhaltlich? Es wird aufgezeigt, dass durch die Anwendung von PM Standards / PM Methodiken häufige Projektfehler vermieden werden können. Diese sind lt. den Autoren Hackmann/Quack/Hülsbömer:
- Die Prozesse für das Projektmanagement sind unzureichend.
- Es gibt keine Rücksprache bei Änderungen im Projekt.
- Kommunikation findet nicht statt, das Reporting ist schlecht.
- Die Komplexität des Projekts wird unterschätzt.
- Der Zeitplan ist unvollständig oder unrealistisch.
- Der Budgetrahmen ist nicht eindeutig geklärt.
- Das Personal ist ungeeignet oder überlastet.
All dies sind sicher häufige Fehler, die in Projekten gemacht werden – kein Zweifel.
Und ich stimme grundsätzlich auch zu, dass durch die Anwendung eines einheitlichen, systematischen PM Ansatzes auf der Basis eines (oder mehrerer) PM Standards / Methodiken (Beispiele „Methodologies“ / hervorragender Artikel von Jason Charvat) gewisse Probleme gemildert werden können. ABER: Ein methodisch und theoretisch „sauberes“ Projektmanagement ist sicher kein Allheilmittel, um Projektmanagement erfolgreich zu gestalten.
Professionelles Projektmanagement basiert auf einem ganzheitlichen „Projektmanagement System„. Das primäre Ziel dieses PM Systems ist es, eine (Projekt)Kultur zu etablieren, in der erfolgreiche Projekte ermöglicht werden. Die Projektkultur verstehe ich übrigens als einen Teil der Unternehmenskultur. Entsprechend basiert ein ganzheitliches PM System eben auf mehreren Säulen (als nur der methodischen). Dies sind:

Organisation & Rollen: Das Verhältnis zwischen der „Stammorganisation“ und der PM-spezifischen Organisation (und den damit zusammenhängenden Rollen) ist zu klären. Besonders wichtig ist hier, dass das Rollenverständnis auch von der Unternehmensleitung mitgetragen und vorgelebt wird.
Methodik & Prozesse: Hier kann die Anwendung bzw. die unternehmensspezifische Anpassung eines PM Standards bzw. einer PM Methodik von Vorteil sein. Zudem sollten für die wichtigsten Projektarten so genannte „Projektprozesse“ (= Vorgehensmodelle) definiert werden.
Qualifizierung & Lernen: Menschen machen Projekte erfolgreich (oder eben auch nicht). Entsprechend ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle in Projekte involvierten Personen im Unternehmen auch entsprechend qualifiziert werden. Ein zeitgemäßes und breit gefächertes Qualifizierungsprogramm (Trainings, Coaching, Mentoring, Workshops, Zertifizierungslehrgänge…) ist zu implementieren. Wichtig: Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess.
Tools & Systeme: Die Prozesse, Methoden, Checklisten etc. sind entsprechend IT-technisch zu unterstützen. Und: Es muss nicht immer MS Project sein, sondern auch moderne Web 2.0 Tools können sehr effizient und effektiv eingesetzt werden.
Wenn Ihr ein PM System nach diesem Schema entwickelt und einführt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit exponentiell an, dass Sie Projektfehler wirklich nachhaltig bekämpfen und die Erfolgsquote Eurer Projekte gesteigert wird.