Rückblick
In den letzten Jahren hat sich mein Eindruck einer gewissen „Lagerbildung“ im Projektmanagement verstärkt.
- Auf der einen Seite steht die (nach wie vor große) Gruppe der meist erfahrenen und etablierten „Projektmanager/innen der alten Schule“ (klassisches PM).
- Auf der anderen Seite steht die „agile Community„, häufig die „jungen Wilden„, die meist in IT-Umfeldern tätig sind (agiles PM).
Natürlich handelt es sich hierbei um eine stark verkürzte und vereinfachende Darstellung. Die Realität ist selbstverständlich weitaus differenzierter und vielfältiger. Ich denke aber, dass die Tendenz stimmt.
Unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen sind ja an und für sich nichts Schlechtes. Aber sie sollten dazu führen, dass beide Seiten voneinander lernen können, und durch die Unterschiedlichkeit etwas Besseres entsteht. Genau das ist im Projektmanagement aus meiner Sicht bislang noch nicht passiert. Etwas überspitzt formuliert sind häufig folgende Haltungen und Glaubenssätze anzutreffen:
- Die Vertreter des klassischen Projektmanagements halten agile Vorgehensweisen nur für einen Modetrend, der mit „richtigem Projektmanagement“ nichts zu tun hat. Außerdem sind SCRUM & Co. „doch nur in bestimmten Bereichen der Softwareentwicklung“ anwendbar.
- Die „Agileros“ hingegen halten die bisherigen PM Methoden überhaupt für unbrauchbar, denn schwierige Projekte sind ja „ohnehin nicht im Detail planbar„. Und überhaupt verstehen die „Old Economy (Projekt)Manager“ nichts von „modernen, selbstorganisierten Ansätzen und Organisationsformen„.
Diese gegenseitige Abgrenzung bringt uns nicht weiter! Wir brauchen eine sinnvolle Integration der verschiedenen Konzepte, Sichtweisen und Modelle. Vor allem aber brauchen wir eine fundierte Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Dimensionen. Damit das gelingen kann, brauchen wir Menschen,
- die offen für Neues sind,
- die bereit sind, ihre persönliche Komfortzone zu verlassen,
- die Andersdenkenden auf Augenhöhe begegnen und
- die Tag für Tag an ihrer eigenen Professionalität arbeiten, sprich lernwillig und -fähig sind.
Nun aber zurück zum Thema. Mit dem Modell „Integriertes Projektmanagement (IPM)“ habe ich versucht, eine Diskussionsgrundlage „ins Rennen zu werfen“. Denn es ist meine tiefe Überzeugung, dass wir in Zukunft das Gemeinsame, das Verbindende viel stärker ins Zentrum rücken müssen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Also weniger „entweder-oder“ und mehr „sowohl-als-auch“. Es gibt nicht „das richtige Projektmanagement“, sondern vielmehr viele verschiedene Aspekte, Richtungen und Herangehensweisen, die zum Erfolg führen können.
Das IPM-Modell schlägt eine Integration in zwei Dimensionen vor:
- Horizontale Integration: klassisches Projektmanagement (deduktives, planorientiertes Management im Dreieck „Scope – Budget – Time“) UND agiles Projektmanagement (iteratives, kommunikationsgetriebenes Vorgehen in selbstorganisierten Teams).
- Vertikale Integration: Fokus auf die Menschen mit ihren Potenzialen, Bedürfnissen und Emotionen UND Schaffung eines strategischen, strukturellen und kulturellen Umfeldes (= Systemgestaltung), in dem Kollaboration und Teamarbeit gelingen kann.
Ich muss zugeben, dass das Thema so umfangreich und vielfältig ist, dass mir Präsentationen, Fachartikel, Blogbeiträge etc. immer wieder als ungeeignete Form erscheinen, um ausreichend in die Tiefe zu gehen. Denn in Wirklichkeit geht es um ein neues Verständnis von Organisation, Führung und Management für das 21. Jahrhundert, um es etwas pathetisch auszudrücken.
Trotzdem der Versuch, die Grundidee von IPM auf knapp 50 Folien zu skizzieren:
Ausblick
Die überwiegende Anzahl von Unternehmen, die ich in der Praxis erlebe, benötigen ein individuelles, differenziertes und maßgeschneidertes Konzept, um ihr Projektmanagement weiter zu entwickeln und zu professionalisieren (vgl. „Wider die zunehmende Verdosung des Projektmanagements“ von Hinz/Poczynek; PDF). Dem versuche ich auch mit dem IPM-Ansatz Rechnung zu tragen.
Gleichzeitig möchte ich den Anspruch dieses Modells relativieren. Denn IPM ist…
- eine Diskussionsgrundlage,
- ein Gerüst für Diskussion und Entwicklung aber auch
- ein Bezugs- und Orientierungsrahmen für die Entwicklung spezifischer Strategien und Vorgehensweisen zur Entwicklung und Professionalisierung von Projektmanagement in Organisationen.
Meine Ziele und Vorsätze für das kommende Jahr sind in diesem Zusammenhang:
- Praktische Anwendung in möglichst vielen Projekten und OE-Prozessen
- kritische Diskusson, Reflexion und Weiterentwicklung des IPM Modells
- Integration zukunftsorientierter Ansätze aus den Feldern Systemlehre und -theorie, Organisation, Organisationsentwicklung und Change Management, Führung und Management, Lernen und Personalentwicklung, Gehirnforschung etc. pp.
Über eine weiterhin kritische Diskussion zu dem Thema würde ich mich sehr freuen!