Heinz Peter Wallner ist Managementberater, Buchautor, Vortragender und Blogger. Ich schätze ihn, seine Kompetenz und sein Tun aus mehrerlei Hinsicht sehr. Besonders beeindruckt hat mich sein Werk „Das Lila-Management Prinzip„, welches er gemeinsam mit Kurt Völkl und Dodo Kresse verfasst hat.
Neulich hat Heinz Peter Wallner „Ein Essay über Komplexität und das Leben“ in 2 Teilen (1 | 2) auf seinem Blog publiziert. Seine Hypothesen und Gedanken haben für einige Resonanz gesorgt, u.a. bei den Kommentaren zu den Artikeln, auf Twitter und auch auf Blogs. Da möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auch meinen „Senf“ dazu abzugeben.
Komplexität – Was ist das?
Heinz Peter Wallner schreibt:
„Die Komplexität eines Systems ergibt sich aus seiner Anzahl an Elementen, deren Vielfalt, den Verbindungen zwischen den Elementen, der Art der Zusammenhänge (linear, nicht linear), den Kommunikationsgeschwindigkeiten und – so würde ich gerne ergänzen – aus der Form und Art seiner Energie- und Stoffströme.“
Die Vielfalt von Systemzuständen ist in der Systemtheorie auch als „Varietät“ [variety] bekannt. Nachzulesen auf S. 6-7 in diesem Artikel von Prof. Dr. Fredmund Malik.
Thomas Menk kommentierte den Essay von H.P. Wallner folgendermaßen:
„Man spricht von Komplexität, wenn ein System grundsätzlich unzählbar viele verschiedene, erwünschte oder unerwünschte Zustände und Ereignisse hervorbringen kann.“
Es liegt auf der Hand, dass die Komplexität in unserer Welt alleine durch die informationelle Vernetzung in den letzten Jahren rasant gestiegen, teilweise explodiert ist. Dies betrifft zumindest folgende Ebenen unseres Lebens:
- Menschen (Individuen, jede/n Einzelne/n),
- Organisation (als komplexe, soziale Systeme) und die
- Gesellschaft (mit ihren hochkomplexen Teilsystemen).
Oberes Limit an Komplexität?
H.P. Wallner schreibt:
„Wir erreichen in unserem Leben immer wieder ein oberes Limit der Komplexität und kommen in eine Krise, beginnen unser Leben zu entrümpeln und wieder einfacher zu gestalten, laden uns wieder mit neuer Komplexität auf, erreichen wieder ein oberes Limit, vereinfachen unser Leben wieder usw.“
Meine Gedanken dazu:
- Dem würde ich unwidersprochen zustimmen. Vor allem gefällt mir das Bild der Wellenbewegungen, welches von Heinz Peter gezeichnet wird: Aufbau von Komplexität –> oberes Limit –> notwendige Entrümpelung / Vereinfachung –> wiederum Aufbau von Komplexität …
- Entrümpelung und Vereinfachung darf aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang nicht als „unzulässige Trivialisierung“ verstanden werden (vgl. „Ashby’s law of requisite variety„), sondern vielmehr als die Konzentration auf das Wesentliche, das Zurückkehren zu den richtigen und wichtigen Systemprinzipien.
- Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte und Manager lernen und verstehen, was diese Prinzipien im Umgang mit komplexen Problemen und Systemen sind und wie sie angewendet werden müssen. Denn sehr viele Antworten auf die wirklich relevanten Fragen unserer Zeit liegen in der Systemtheorie, der Kybernetik und der Bionik. Wenn wir uns auf die wichtigen Prinzipien der Gestaltung und Führung komplexer Systeme konzentrieren, lassen sich auch komplexe Probleme plötzlich verhältnismäßig leicht lösen. Sie lösen sich nämlich quasi von selbst.
- Ich wehre mich etwas gegen das aus meiner Sicht weit verbreitete Missverständnis, dass die Bewältigung komplexer Probleme auch gleichzeitig immer sehr anstrengend sein muss. Denn so wird aus meiner Sicht Ashby’s Law häufig interpretiert. Ich bin davon überzeugt, dass auch komplexe Probleme „relativ einfach“ gelöst werden können, wenn die wichtigen Systemprinzipien beherrscht und angewendet werden.
Komplexität verstehen – richtig und effektiv handeln.
Einige Ansatzpunkt:
- Um die Fähigkeit im Umgang mit komplexen Problemstellungen zu steigern ist es unablässig, sich mit den relevanten Theorien auseinander zu setzen.
- Gleichzeitig empfinde ich es als sehr lehrreich und befruchtend, mich mit „geerdeten“ Menschen zu komplexen Themen auszutauschen. Denn ihr Gespühr für die prinzipiellen Spielregeln und Gesetze hilft oft ungemein, Dinge klarer zu sehen und nicht nur auf irgendwelchen „theoretischen Wölkchen“ zu schweben.
- Auf individueller Ebene (siehe oben 1. Menschen) sehe ich Balance der verschiedenen Lebensbereiche als zentralen Schlüssel, um in einer komplexen Welt zu überleben. Denn nur gesunde (im Sinne eines bio-psycho-sozialen Gesundheitsverständnisses) Menschen verfügen über die Stabilität, Kraft und Ruhe, um in komplexen, sozialen Systemen (= Organisationen) das Richtige zu tun.
- Auf organisationaler Ebene (siehe oben 2. Organisationen) müssen wir endlich beginnen, systemische und kybernetische Prinzipien bei der Gestaltung und Steuerung sozialer Systeme anzuwenden. Beispielhaft nennen möchte ich in diesem Zusammenhang die Auflösung der enormen Rollenvielfalt, die viele Menschen in Organisationen heutzutage wahrnehmen sollen. Professionalität setzt Wiederholung und Fokus voraus. Genau dies wird durch unklare oder überfrachtete Rollendefinitionen unmöglich.
- Auf gesellschaftlicher Ebene (siehe oben 3. Gesellschaft) können wir die Probleme unserer Zeit nur lösen, wenn die Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Wirtschaft endlich beginnen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die über den Zeithorizont von 1-2 Jahren hinaus gehen. Gleichzeitig sollten wir uns aber nicht darauf hinaus reden, dass alle Herausforderungen außerhalb unseres persönlichen Einflussbereichs gelöst werden müssen. Jede/r einzelne von uns kann uns soll Verantwortung übernehmen. Sozialen Zusammenhalt, Gemeinschaft, oder ehrenamtliche Tätigkeiten sehe ich in diesem Zusammenhang als dringende Notwendigkeit an, damit unsere Gesellschaft wieder „gesund“ werden kann.
Einführung in die Kybernetik und Bionik
Abschließend möchte ich Ihnen 4 Video-Mitschnitte des III. Internationalen Bionik-Kongresses ans Herz legen, welche von der Wiener Kybernetikerin Maria Pruckner bereit gestellt wurden. In den knapp 30 Minuten sagen die verschiedenen Experten viele kluge und wichtige Dinge, die Anregung für die Praxis sein können.