Andreas hat mich dankenswerterweise auf ein weiteres PM Manifest aufmerksam gemacht, das „Project Management Manifesto for America„.
Bevor ich zum Inhalt diesen neuen Manifests gehe, möchte ich kurz noch einmal folgendes klarstellen:
Ich glaube an einfache Lösungen. Ich glaube auch daran, dass Menschen gerade in dynamischen und unsicheren Zeiten nach einfachen Lösungen suchen – und diese auch brauchen. Ich weiß aber auch, dass (zu) einfache Lösungen bei komplexen, vielfältigen Problemstellungen keine nachhaltige Verbesserung bewirken können. Deshalb brauchen wir hier systemische Lösungsansätze, auch darüber habe ich mehrfach geschrieben, nämlich hier, hier oder hier.
Den allgemeinden „Manifest-Trend“ sollten Sie nicht zuuuu ernst nehmen. Vielmehr denke ich, dass diese häufig (zu) sehr simplifizierenden Plädoyers mit gesundem Hausverstand kritisch bewertet werden sollten. Wenn die eine oder andere gute Anregung für den Alltag für Sie drinnen steckt – gut. Wenn nicht, auch gut.
Nun aber zum „Project Management Manifesto„.
Wer steht dahinter?
Hier die Liste der Initiatoren (die mittlerweile durch diverse „Unterstützer“ erweitert wurde): Russ Archibald, Archibald Associates; David L. Pells, PMForum, Inc.; Ron Taylor, The Ron Taylor Group; Wayne Abba, Abba Consulting; Stacy Goff, ProjectExperts and asapm: IPMA-USA; Michael O’Brochta, Zozer, Inc.; Bob Youker, Retired, World Bank.
Warum ein weiteres PM Manifest?
Dass die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen in den USA in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beträchtlich sein werden, ist bekannt. Programme und Projekte werden zur Lösung dieser komplexen Problemstellungen eine wesentliche Rolle spielen. Daraus leitet sich das Ziel des Manifests ab:
„To apply, at all levels of governance, enlightened leadership together with the well-proven, widely-used principles, practices, and tools of modern program and project management to the large, complex, and vitally important Program to Rebuild America: The American Recovery and Reinvestment Plan that soon will be proposed by the new Obama Administration and authorized and funded by the new 2009 Congress of the United States of America.„
So weit, so gut.
Was verstehen die Initiatoren unter „modern program and project management“?
Die Prinzipien und Vorgehensweisen eines modernen Programm- und Projektmanagements stammen nach Ansicht der Autoren aus der Rüstungs-/Flugzeugindustrie sowie der Bauindustrie der letzten 50 Jahre. Mittlerweile werden diese Prinzipien aber in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors angewendet. Die zentralen Konzepte sind:
a) Integrative, verantwortliche und vorurteilsfreie Führung / Projektleitung
b) Integrierte Planung, Zeitplanung, Überwachung, Berichterstattung und Controlling
c) Fachübergreifende Teamarbeit
Details finden Sie hier.
Mein Eindruck: Na ja. Die Perspektive der Autoren ist offensichtlich eine recht „makro-mäßige“ und technische. Sie gehen wohl von wirklich großen Programmen und Projekten aus, die auch ein entsprechend differenziertes Management erfordern. Darum wird man Begriffe wie „simplicity“ auch vergeblich suchen.
Der Kern des Manifests:
„We urge that these elements be part of all projects launched through The American Recovery and Reinvestment Act:
1. Systemic use of a set of proven best practices for project selection, planning, budgeting, oversight, and reporting.
2. Recruitment of experienced, responsible project leaders who are accountable to the American people for project results.
3. Selection of project sponsors at Federal, State, County, City and multi-authority levels that ensure strategically sound, transparent accountability at every level.“
Im Grunde sind die Punkte sicherlich berechtigt. Systemische Herangehensweisen sind bei komplexen Problemen immer zu begrüßen. Erfahrene und verantwortungsbewusste Projektleiter/innen natürlich auch. Und die Rolle der Auftraggeber ist für den Projekterfolg selbstverständlich auch immer von großer Bedeutung – gerade auch im öffentlichen Kontext.
Allerdings werde ich den Verdacht nicht ganz los, dass hinter dem Manifest auch wirtschaftliche Interessen der Initiatoren stecken. Denn gerade jetzt ist der öffentliche Verwaltungsbereich für Berater (und im speziellen PM Berater) ein attraktiver Markt. Allerdings: Wenn am Ende des Tages für die Menschen etwas Gutes raus kommt, ist diese Initiative zu begrüßen.
Noch eine abschließende persönliche Bemerkung: Was wir jetzt brauchen, ist wirklich EFFEKTIVES Management durch EFFEKTIVE Manager/innen. Denn in vielen Themen dürfen wir uns keine Ehrenrunden durch falsche Entscheidungen mehr leisten.