Ich vertrete schon seit längerer Zeit folgender These:
„Richtiges und gutes Projektmanagement unterscheidet sich im Kern nicht von richtigem und gutem Management.“
Diese Aussage möchte ich folgendermaßen erläutern:
- Projekt = soziales System: Projekte bestehen aus Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. (Projekt = soziales System)
- Projektmanagement = Versuch eines funktionierenden sozialen Systems: Die Aufgabe eines Projektleiters ist es, den Rahmen für eine möglichst gelingende Zusammenarbeit des Teams zu schaffen.
- Projektmanagement = Management: Es geht also um die Gestaltung, Steuerung und Lenkung eines sozialen Systems. Darum geht es auch bei der Erfüllung genereller Führungs- und Managementaufgaben.
Projekt- vs. Linienaufgaben
Betrachten wir das Thema noch anhand der Projektkriterien. Denn projektwürdig ist eine Aufgabenstellung dann, wenn sie komplex und neuartig ist und nur in Teamarbeit gelöst werden kann. Zudem sollten für Projekte klare inhaltliche, budgetäre und zeitliche Ziele formuliert werden. Wo könnten wesentliche Unterschiede zwischen dem Management von Projektaufgaben und dem Management von Prozessen, Routine- oder Linienaufgaben liegen?
- Komplexität: Ich behaupte, dass die Fähigkeiten im Umgang mit Komplexität im Projektmanagement und im Management gleichermaßen hoch sein müssen.
- Neuartigkeit: Hier könnte ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal liegen, denn Routine- und Linienaufgaben sind in der Tat eher stabil bzw. ähnlich.
- Teamarbeit: Zusammenarbeit und Kollaboration von Menschen ist ebenfalls „in beiden Welten“ nötig. Hier könnte ein relevanter Unterschied in der Tatsache bestehen, dass sich Projektorganisationen und -teams häufig völlig neu zusammen setzen bzw. deren Zusammensetzung häufig wechselt.
- Inhaltliche, budgetäre und zeitliche Ziele: Durch die Vorgaben und Restriktionen in Projekten können sich besondere Drucksituationen ergeben. Einen wirklich wesentlichen Unterschied zu „Nicht-Projektaufgaben“ sehe ich hier aber nicht.
Zwischenfazit: Projektmanagement erfordert eventuell ein höheres Maß an Fähigkeiten im Umgang mit Instabilität. Generelle Führungs- und Managementaufgaben hingegen erfolgen in Umwelten, die stärker von Stabilität geprägt sind. Klar ist aber: Auch in diesem Punkt gibt es keine ganz klare Abgrenzung.
Management von Stabilität und Instabilität
Nun komme ich langsam zum Kern meiner Argumentation. Menschen, die heutzutage Führungs- und Managementaufgaben zu erfüllen haben, benötigen Fähigkeiten im Umgang mit Instabilität (= Wandel, Innovation, Veränderung, Neuartigkeit…) wie auch im Umgang mit Stabilität (= Wertschöpfung, Leistung, Effizienz, Aufgabenerfüllung…). BEIDES ist sowohl im Projektmanagement als auch im Management notwendig.
Niemand könnte diesen Aspekt treffender auf den Punkt bringen als der geniale Peter Kruse:
Fazit
Der Grund, warum ich dieses Thema immer und immer wieder „aufwärme“ (im Blog und auch anderswo), ist, dass ich im Projektmanagement viel zu viel Methodengläubigkeit orte und viel zu wenig gesunde Auseinandersetzung mit grundlegenden Prinzipien, Herausforderungen und Erkenntnissen in der Zusammenarbeit mit und der Führung von Menschen und Teams. Wir brauchen im Projektgeschäft mehr gute Manager/innen und weniger schlechte Projektmanager/innen 🙂
Kritik
Abschließend möchte ich noch auf einen Kommentar von Bernhard M. Scheurer (Autor von „Projektherz„) hinweisen, in dem er meiner These entschieden widerspricht. Auch in seinem Buch schreibt er auf S 17: „In der wirtschaftswissenschaftlichen Fachliteratur und auf den entsprechenden Internetplattformen wird fast durchgängig der Eindruck vermittelt, Projektmanagement sei ein Teilgebiet des Managements. Das klingt durchaus schlüssig, aber es ist genau umgekehrt.“ Die Argumentation, die auf diese Aussage folgt, ist für mich aber ehrlich gesagt (noch) nicht schlüssig. Insofern freue ich mich schon auf spannende Diskussionen! Denn ich lasse mich von den Leser/innen des PM Blogs sehr gerne eines besseren belehren.
Nachtrag
Es wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass ich mich an Fredmund Maliks Formulierung „richtiges und gutes Management“ angelehnt habe. Buchtipp: Malik, Fredmund (2006): Führen, Leisten, Leben: Wirksames Management für eine neue Zeit. Campus Verlag.