Projektwirtschaft wächst weiter rasant
Eine kürzlich durchgeführte Befragung des Projektdienstleisters Solcom hat ergeben, dass der Projektmarkt auch 2011 weiter wachsen wird (Studie zum Download). Darüber hinaus prognostiziert die Deutsche Bank Research bis 2020 ein dynamisches Wachstum der Projektwirtschaft (Studie zum Download). 2020 sollen bereits 15 % (!) der Wirtschaftsleistung in Deutschland in projektorientierten Arbeitsformen erbracht werden (Vergleich: 2002 waren es 2 %).
Professionalisierung tut Not
Gleichzeitig werden in schlecht geführten Projekten Unsummen an Geldwerten „verbrannt“. Prof. Dr. Gröger bezifferte in seiner Studie „Abenteuer Wertvernichtung“ (2004) den jährlichen Schaden mit 150 Milliarden Euro – allein in Deutschland (Leseprobe). Man mag zu diesen oder ähnlichen Studienergebnissen (z.B. CHAOS Report) stehen, wie man will. Klar ist aus meiner Sicht: Es besteht weiterhin viel Aufholbedarf, was die PM Professionalisierung in Unternehmen und Non-Profit-Organisationen angeht.
Angesichts dieser Fakten ist es verwunderlich, dass Führungskräfte in diversen Befragungen immer wieder angeben, wie wichtig ihnen Projektmanagement im eigenen Unternehmen doch ist. Doch gehandelt wird offensichtlich nicht danach.
(Quelle: European Business School [2008]: Potentiale und Bedeutung des Projektmanagements
aus der Perspektive des Topmanagements)
Best Practice: PM@Siemens
Der deutsche Großkonzern Siemens ist traditionell stark projektorientiert organisiert. Laut eigenen Aussagen werden ca. 50% der gesamten Wertschöpfung im Konzern in Form von Projekten erbracht. Da ist es nicht verwunderlich, dass CEO Löscher kurz nach seinem Amtsantritt verkündete, dass in der weiteren Professionalisierung des Projektmanagements im Konzern eine der Hauptprioritäten liegen wird:
(Quelle: Woetzel, Dagmar [2009]: Professionalisierung des Projektgeschäfts – ein Marathon)
Soweit ich die Initiative „PM@Siemens“ aus verschiedenen Berichten und Präsentationen kenne, gibt es viele Aspekte, von denen andere Unternehmen lernen können. Beispielhaft möchte ich folgende Punkte nennen, die mir in der PM-Konzeption von Siemens sehr positiv aufgefallen sind:
- Die Bedeutung einer geregelten Projektabwicklung wird von der Unternehmensleitung immer wieder betont. Dies lässt vermuten, dass das notwendige Ausmaß an „Management Commitment“ besteht (siehe hierzu auch Abbildung oben).
- Siemens hat einen definierten Karrierepfad für Projektleiter/innen. Das Qualifizierungsprogramm für Projektleiter/innen ist am Karrieremodell ausgerichtet.
(Quelle: Kühnel, Magdalene [2007]: PM@Siemens: „Ein Projekt ist wie ein Unternehmen zu führen“ – Was bedeutet „Projektunternehmerschaft im Blick auf Personalmanagement?)
- Siemens verfügt über ein differenziertes Projektmanagement-System, welches aus verschiedenen definierten Bausteinen besteht. Dadurch wird Projektmanagement ganzheitlich betrachtet und optimiert.
(Quelle: Kühnel, Magdalene [2007]: PM@Siemens)
- Siemens geht die Optimierung und Weiterentwicklung des Projektmanagements sehr systematisch an. Auf der Grundlage eines MPM Reifegrad-Modells (MPM=Multi-Projektmanagement) werden Schwachstellen identifiziert, analysiert und daraus Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet.
(Quelle: Lebsanft, Karl [2006]: Projektmanagement Assessments
– Die ungeschminkte Wahrheit.)
Der letztgenannte Punkt, nämlich die Optimierung auf der Basis von PM Reifegradmodellen, muss in der Praxis besonders behutsam angegangen werden. Denn bei richtiger (nämlich dosierter) Anwendung sind Reifegradmodelle absolut sinnvoll und hilfreich. Treten die „harten Faktoren“ aber zu sehr in den Vordergrund, besteht die Gefahr, dass der Veränderungsprozess zu „technisch“ angegangen wird.
Es ist halt wie fast immer im Leben: Die Mischung macht’s.
Fazit
Die verschiedenen Präsentationen und Berichte, die man zu „PM@Siemens“ im Internet findet, sind durchaus aufschlussreich. Sie können vor allem für kleine und mittlere Unternehmen einige wichtige „Learnings“ und Orientierungshilfen beinhalten.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass die PM Professionalisierung in der Regel einen organisatorischen Veränderungsprozess zur Folge hat. Denn eine nachhaltige Verbesserung tritt meist erst dann ein, wenn professionelles Vorgehen in Projekten zu einem Teil der Unternehmenskultur geworden ist („Projektkultur“).