Das wichtigste Wort in Projekten: NEIN.

Schon längere Zeit wollte ich über das Thema schreiben, und gestern war es dann soweit: Gleich dreimal innerhalb von 24 Stunden hat es mich beschäftigt – das wichtigste Wort im Projektgeschäft: Nein.
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Interview mit Prof. Bruno Buchberger

Wir leben in einer spannenden Zeit. Mit Spannungen und Widersprüchen konstruktiv und erfolgreich umzugehen, erfordert Disziplin und Gelassenheit, Konzentration und Entspannung, Wissen und Können. Das habe ich bereits vor vielen Jahren in einem Tagesseminar bei Prof. DDr. Bruno Buchberger gelernt – und seitdem hat mich die Idee des „Spannungsmanagements“ nicht mehr losgelassen.

Bruno Buchberger (Foto) ist einer der renommiertesten Wissenschafter Österreichs. Unter anderem erhielt er folgende Auszeichnungen:

  • Top-ranked Professor der JK Universität 2011
  • Viertes Ehrendoktorat von University of Waterloo 2011
  • Österreicher des Jahres 2010 in der Kategorie Forschung
  • ACM „Oscar“ Theory and Practice 2007 (Buchberger ist einer von nur drei Europäern, die diese Auszeichnung erhielten)
  • Inhaber von vier Ehrendoktoraten

Interview zum Thema Spannungsmanagement

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, Prof. Buchberger einige Fragen zum Thema Spannungsmanagement zu stellen. U.a. ist Bruno Buchberger auch auf einige PM-spezifische Aspekte eingegangen. Im wahrsten Sinne des Wortes ein spannendes Thema!

Herr Prof. Buchberger, können Sie uns in kurzen Worten erklären, was Spannungsmanagement bedeutet?

Für viele ist Spannung etwas Negatives, was man vermeiden, ausgleichen, abbauen sollte, um Streit, Krieg, Burn-out etc. zu verhindern. Das ist wichtig und richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Im Gegensatz dazu stelle ich in meinen Seminaren Spannung als etwas Positives in den Vordergrund: Es steckt große Energie in vermeintlichen Spannungen, in der Koexistenz von gegensätzlichen Polen, in zunächst sich feindlich gegenüberstehenden Sichten, Meinungen, Zielen, Absichten. Man sollte lernen, „auf dem Ozean der Spannungen zu surfen“, um diese Energie für die Gestaltung kreativer Prozesse zu nutzen, mit denen etwas „spannendes“ Neues entsteht. Den evolutionären Umgang mit Spannung, sowohl mit negativer als auch vor allem mit positiver, nenne ich Spannungsmanagement.

Warum ist Spannungsmanagement für Menschen und Organisationen heutzutage von so großer Bedeutung?

Management wird oft als das Organisieren bestehender Systeme gesehen. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, genügend Mittel vorhanden sind, die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen, keine oder nur geringe Widerstände vorhanden sind, die richtigen Mitarbeiter bereit stehen, die Motivation passt, …, dann sind viele bereit und in der Lage „zu managen“. Es braucht aber gerade in der heutigen – schnelllebigen und anspruchsvollen – Zeit Menschen, die die Fähigkeit besitzen, innovative Systeme (Einrichtungen, Firmen, Projekte, Teams, …) „aus dem Punkt 0 heraus“ zu erfinden und auf die Schiene zu bringen. Hier habe ich durch Selbstbeobachtung beim Aufbau neuer Systeme und im Umgang mit unterschiedlichsten Systemen in Wissenschaft, Wirtschaft, und Politik gelernt, dass der positive Umgang mit Spannung eine ganz zentrale und sehr praktische Rolle spielt. Wer die Einsicht, die geistige Kraft und das menschliche Verständnis hat, dass gegensätzliche Pole „spannend“ sein können und die positive Wurzel und der Wachstumssaft interessanter, evolutionärer Systeme, der kann sehr viel bewegen und dabei selbst erfüllt und begeistert bleiben, d.h. „burning“ statt „burned out“.

Stichwort: Innovative Systeme. Warum tun wir uns mit Innovationen in vielen Organisationen und Bereichen so schwer?

Auch die beharrende Kraft ist ein wichtiger Aspekt der Natur. Wenn es keine Tendenz gäbe, Systeme in ihrer Identität, in ihrem derzeitigen Funktionieren zu erhalten, wäre die Natur und auch die Gesellschaft einseitig und das Ganze wäre nur ein hastiges Fortschreiten von Neuem zu Neuem zu Neuem …. Ohne Beharrung auch kein Genuss des Erreichten! Das „Schwertun“ ist oft auch einfach der Prüfstein, ob unsere Innovationskraft und Kreativität schon gut genug ist, um Bestehendes über Bord zu werfen und durch etwas Anderes zu ersetzen. Es braucht die beharrende Kraft genauso wie die revolutionäre Kraft, die Bestehendes in Frage stellt und vernichtet, und die evolutionäre Kraft, die Neues erfinden und realisieren kann. Trotzdem: Wir vertun auch viele Chancen, Genüsse, Befreiungen, Errungenschaften, weil wir nicht in der Lage sind, aus Widersprüchen größere, interessantere, begeisternde, anregende, höhere, Systeme zu konstruieren. Wir stehen uns da oft selbst im Wege. Das „Schwertun“ ist in manchen Situation also auch Schwerfälligkeit, Trägheit, Unfähigkeit, mangelnde Kreativität, Nicht-Sehen von Chancen, …

Was sollte ein Projektmanager oder eine Projektmanagerin zum Thema Spannungsmanagement wissen und beherrschen?

Erstens, dass jede Entwicklung im Wesentlichen drei Phasen hat: die aufbauende Phase, die bewahrende Phase, und die abbauende Phase hat. Einseitige Identifikation mit nur einer der drei Phasen bringt (organisatorische, intellektuelle, emotionale, soziale, … ) Probleme. Man sollte also lernen, sich in jeder dieser drei Phasen sinnvoll bewegen zu können und zur Gesamtevolution beizutragen.

Zweitens, wie man mit gegensätzlichen Polen in den drei Phasen umgeht (das ist das, was ich Spannungsmanagement im weiteren Sinne nenne). In meinen Seminaren betone ich allerdings den Umgang mit Spannung in der aufbauenden Phase (das ist für mich Spannungsmanagement im engeren Sinne) ganz besonders, weil ich heute dort das größte Defizit orte. Es gibt zahlreiche Seminare zum Umgang mit Spannung in der bewahrenden Phase (Konfliktmanagement, Streitkultur, etc. etc.), aber kaum etwas, wo man lernen kann, wie man vermeintliche Gegensätze in eine positive Kraft zum Erfinden und Umsetzen interessanter neuer Systeme, Lösungen, Aktionen, … umwandeln kann in ein spannendes Ziel- und Aktionsgefüge bzw. wie man dort, wo es keine Spannung gibt, in einem spontanen Kreativakt Spannung ins Leben ruft. Das ist der Hauptinhalt meines Seminars „Spannungsmanagement“.

Drittens, wie man bei der Erfindung und Konzeption innovativer Systeme systematisch mit Leichtigkeit und Offenheit den „Raum aller Möglichkeiten“ aufspannt, aus welchem man dann in einem zweiten, sehr kritischen Schritt die motivierendsten, erfolgversprechenden, spannendsten Möglichkeiten des aufzubauenden neuen Systems auswählt bzw. die spannendsten Lücken im Raum der Möglichkeiten als besondere kreative Herausforderungen identifiziert.

Viertens, wie man Henne-Ei-Problem identifiziert und überwindet, bei welchen die Spannung zwischen „Henne“ und „Ei“ so gelagert ist, dass sie den Start neuer Systeme im Keim zu ersticken drohen. Hier lautet mein Rezept: „Erfinde die Henne und das Ei zur selben Zeit!“ Wie das praktisch geht, ist ein anderer wichtiger Inhalt meines Seminars. Es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Rezept nicht theoretisch wirkt, sondern nur im konkreten Fall durch einen individuellen Kreativakt zum Erfolg führt. Man könnte das auch so formulieren: „Den gordischen Knoten nicht mit dem Schwert zerschlagen, sondern die Enden des Knotens weit auseinanderziehen!“

Fünftens schließlich zu sehen und zu erfahren, dass die kreativste Spannung die Spannung zwischen Spannung und Entspannung ist. Gerade in der heutigen Zeit, die von vielen als sehr hektisch, überforderdernd, überspannt, zwischen Polen zerrieben, … empfunden wird, ist es wichtig zu sehen, dass die Dynamik der Natur aus der Stille kommt und dass wir lernen müssen, diese Verbindung zur Stille auch in der größten Dynamik nicht zu verlieren. Oder mit anderen Worten: Spannungsmanagement ist nur im entspannten Bewusstsein möglich. Spannungsmanagement ist im entspannten Bewusstsein am kreativsten. Spannung zu erzeugen und auszunutzen ermüdet nicht, sondern erfrischt, weil es von der stillen Kraft der Natur gespeist wird. Deshalb gehe ich am Ende meines Seminars auch besonders auf Techniken zur Entspannung, nämlich zur Erfahrung der Stille im eigenen Bewusstsein („Meditation“) ein.

Prof. Buchberger, herzlichen Dank für das Gespräch.

Spannungsmanagement lernen

Wenn Sie mehr über das Thema erfahren möchten, dann empfehle ich Ihnen folgendes Seminar von Prof. Buchberger:

Von Punkt 0 auf 100: Innovative Systeme Erfinden und Umsetzen mit Spannungsmanagement

Ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass das Seminar von Prof. Buchberger in meinem Leben einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Insofern kann ich es Ihnen nur wärmstens empfehlen.

Spannungen in Projekten und Organisationen

Das Thema „Spannung“ und „Spannungsmanagement“ lässt mich nicht mehr los, seitdem ich 2003 zu diesem Thema ein kurzes Seminar von Prof. DDr. Buchberger besucht habt. Aus meiner Mitschrift von damals entnehme ich so einprägsame Sätze wie:

  • „Im Management ist alles wahr und falsch.“
  • „Spannung ist Leben.“
  • „Im Management geht es immer zwischen Polaritäten hin und her.“
  • „Wir müssen versuchen, mit Spannung bewusst umzugehen.“
  • „Spannung ist ein Zeichen für Lebendigkeit.“

Prof. Dr. Dirk Baecker (Zeppelin Universität Friedrichshafen) hat ebenso einen system- und organisationstheoretischen Zugang zum Thema Spannung. Watch it:

Mein Persönliches Fazit: Wir müssen in Zukunft in zunehmendem Maße mit Spannungen und Polaritäten umgehen können. Denn in komplexen, lebendigen Systemen sind Spannungen lebensnotwendig und somit vorprogrammiert.

Siehe auch:

Spannungen erkennen, zulassen, steuern und nutzen

Der Begriff „Spannung“ spielt in meinem Leben eine große Rolle. Spontane Assoziationen, die ich mit dem Begriff habe:

  • Mein Job als Projektmanager und -begleiter ist extrem spannend.
  • Ich treffe laufend auf spannende Leute, die mich inspirieren, fordern und teilweise auch angreifen.
  • Natürlich erlebe ich aber auch immer wieder negative Spannungen oder „Über-Spannung“.
  • Projekte müssen für mich Sinn machen, nur dann sind sie spannend.
  • Ich versuche, meine Freizeit noch mehr als früher zur Ent-Spannung zu nützen.

Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Mit dem Spannungsbegriff (und dem, was dahinter steht) habe ich mich erstmals vor ca. 6 Jahren intensiver auseinander gesetzt. Damals war ich auf einem Vortrag von O.Univ.Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Bruno Buchberger (wow, was für ein Name…). Er referierte damals über Spannungsmanagement.

Hier einige Gedanken und Anregungen zum Thema Spannungsmanagement:

  • Spannung bedeutet Leben.
  • Wir sollten Spannung, Widersprüche und Unterschiedlichkeit (Diversity) als etwas Wichtiges und ungemein Nützliches begreifen.
  • Gute Manager/innen und Führungskräfte entwickeln ein Gefühl für Spannungen, sie können gut zuhören, sie können durch effektive Kommunikation Spannungen gezielt kanalisieren, ent-spannen oder auch verstärken.
  • Innovation, Kreativität und Entwicklung passiert nur, wenn wir Spannungen zulassen und Grenzen überschreiten.

Ein Ansatz, der im Bereich des Personalmanagements sehr nahe an das heran kommt, was ich meine, ist Diversiy Management.

Zum Abschluss noch ein Interview mit dem genialen Prof. Kruse, der Spannung, Unterschiedlichkeit und Vielfalt am Beispiel der Kreativität beschreibt: