Enterprise 2.0 – Es geht um die Werte.

Analoge und digitale Welt

Für mich fühlt es sich so an, als ob Menschen heutzutage in zwei unterschiedlichen Welten leben (können) – und dies auch (teilweise) tun:

  • analoge Welt: In der analogen Welt finden reale Begegnungen zwischen Menschen statt. Hier tauschen wir uns aus, wir streiten und lachen zusammen. In der analogen Welt passiert die Wertschöpfung in Form von Produkten und Dienstleistungen.
  • digitale Welt: Durch die informationelle Vernetzung (Internet, Web 2.0, Social Media, Enterprise 2.0, Mobile, Cloud Computing…) ist in den vergangenen Jahrzehnten eine „Parallelwelt“ entstanden, nämlich die digitale Welt. Hier findet vermehrt praktisch dasselbe statt wie in der analogen Welt, nur eben digital.

Gewiss bringt dieser Wandel nicht nur Vorteile mit sich. Aber es nützt auch nichts, dies als Begründung herzunehmen, sich der Entwicklung zu verschließen. Im Gegenteil! Für die meisten Unternehmen wird es überlebenswichtig sein (oder ist es sogar jetzt schon), die neuen technologischen Möglichkeiten zu erkennen, zu verstehen und in die Strategien, Prozesse, Strukturen und schlussendlich in die Organisationskultur zu integrieren. Das verstehe ich unter Enterprise 2.0!

Wertewandel

Die technologischen Innovationen sind verhältnismäßig trivial. Komplex und langfristig entscheidend ist der Wertewandel, der damit verbunden ist (als Resultat und Voraussetzung gleichermaßen).

Einige Aspekte dieses (Werte)Wandels möchte ich beispielhaft aufzeigen (vgl. Stiehler/Schabel 2012: Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld; Thesenpapier):

  • Die Bedeutung der Wissensarbeit nimmt immer stärker zu. Und auch das produzierende Gewerbe muss sich „smart“ aufstellen, um langfristig wettbewerbsfähig sein zu können. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie nimmt in diesem Zusammenhang immer mehr eine Schlüsselfunktion ein.
  • Neue Medien und Technologien haben die Welt schlagartig transparenter gemacht. Die Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sind offensichtlich und nicht umkehrbar. Diese Transparenz ist Segen und Fluch zugleich – der achtsame Umgang damit essenziell.
  • Die viel zitierte „explodierende Komplexität“ ist (leider) nicht nur ein Buzz Word. Durch die Vernetzung ist die Informationsdichte und die Rückkopplung derselben dramatisch gestiegen.

Vor allem Führungskräfte sollten (endlich) die analoge UND die digitale Welt verstehen, um ihre Organisation zukunftsorientiert aufzustellen und zu führen. Dazu ist aber nicht nur ausreichendes Wissen über die Technologien, Möglichkeiten und Gefahren notwendig. Vor allem brauchen wir eine neue Wertehaltung in der Gestaltung, Führung und Steuerung von Organisationen.

Hier ein Versuch einer Gegenüberstellung (vgl. Communardo, E2Innovate, Community of Knowledge):

Enterprise 1.0 Enterprise 2.0
analoge Welt analoge + digitale Welt
(im Zweifel) Misstrauen (im Zweifel) Vertrauen
Fokus auf Management Fokus auf Führung
Hierarchie (systemisch gestaltete und geführte) Netzwerkorganisation
Menschen = Ressource Menschen = Sinn und Zweck
Fokus auf Prozesse und Strukturen Fokus auf (reife) Kommunikation und Teamarbeit
Intransparenz (Standard = kein Zugriff) Transparenz (Standard = Zugriff)
Push Pull
teilen, trennen verbinden, integrieren
Wissen besitzen Wissen teilen
read-only read/write/comment
Unternehmenskommunikation Mitarbeiterkommunikation
Projektmanagement 1.0 Projektmanagement 2.0
Formalismus Agilität
Technologie = IT-getrieben Technologie = Nutzer-getrieben

 

Nun gehöre ich keinesfalls zu jenen, die

  • das Neue bedingungslos und unkritisch befürworten und
  • das Alte für überholt halten.

Wir benötigen vielmehr eine sinnvolle Integration des Bewährten (= Teilmenge des „Alten“) und des Neuen auf einer höheren Entwicklungs- und Reifestufe. Denn die neue Welt wird eben nicht mehr in Richtig-Falsch- bzw. Schwarz-Weiß-Logiken funktionieren. Vielmehr geht es in einer komplexen Welt darum,

  • möglichst viele relevante Informationen zu sammeln,
  • achtsam zu analysieren und zu bewerten und
  • daraus (gemeinsam) die richtigen Maßnahmen und Schlüsse abzuleiten.

Jene Unternehmen, die den Wandel zum „Enterprise 2.0“ schaffen, werden schon sehr bald einen signifikanten Wettbewerbsvorteil haben. Denn sie können

  • mit Komplexität und Vielfalt wesentlich besser umgehen,
  • folglich schneller lernen und sich neuen Umweltbedingungen rascher anpassen und
  • bieten gleichzeitig ein attraktives Arbeitsumfeld für talentierte, motivierte und selbstbewusste Mitarbeiter/innen.

Relevanz für das Projektmanagement

Selbstverständlich bietet sich gerade die Zusammenarbeit in Projekten an, diese neuen Technologien, Arbeitsweisen, Prinzipien und Werte auszuprobieren und zu integrieren. Denn gerade in Projekten ist wirkungsvolle und gezielte Kommunikation das Erfolgsfaktor #1.

Aber auch hier gilt: Der Einsatz innovativer Kommunikationstechnologien kann nur dann funktionieren, wenn Bewährtes und Neues sinnvoll integriert werden.

Weiterführende Informationen

Digital Mindshift

Mein Kollege Jan A. Poczynek aus Wien hat vor einigen Wochen eine tolle Präsentation online gestellt. Unter dem Titel „Digital Mindshift“ zeigt er auf, dass die „neuen“ oder „sozialen“ Medien unser Leben immer mehr bestimmen.


Ich denke, wir sollten die Chancen, die mit neuen technologischen Möglichkeiten verbunden sind, bestmöglich versuchen zu nützen. Denn die geschäftlichen aber auch persönlichen Potenziale sind vielfach enorm.

Gleichzeitig ist es aber auch ein Gebot der Stunde, sich von diesen Technologien, Netzwerken, Medien und Tools nicht zu sehr vereinnahmen zu lassen. Auch ich zähle wohl zu den „Early Adopters“ in vielen Bereichen und muss mich auch zeitweise disziplinieren, mich von der Schnelligkeit des Internets nicht zu sehr mitreißen zu lassen.

Mein Rat: Bleibt in Bezug auf die neuen Medien offen und interessiert. Probiert auch mal rum, denn diese Dinge kann man nur einigermaßen verstehen, wenn man sich aktiv damit beschäftigt. Aber lasst Euch nicht zu sehr vom Internet und den neuen Technologien vereinnahmen. Denn die wahre Qualität besteht nach wie vor in den persönlichen Kontakten, Gesprächen und Begegnungen. Und: Schafft Euch bewusst Freiräume, in denen Ihr „offline“ seid.