Meine Ausgangsthese für den heutigen Blogbeitrag lautet:
„Projekte sind komplexe, soziotechnische Systeme. Trotzdem werden sie in der Praxis immer noch häufig wie komplizierte, technische Systeme behandelt.“
Im Projektmanagement besteht eine ähnliche Problematik wie in den gesamten Wirtschaftswissenschaften: Die zu Grunde liegenden Theorien sind immer noch stark von einem technisch-rationalen (man möchte fast sagen ‚Decart’schen‘) Weltbild geprägt. Das „Funktionieren“ von Organisationen, Projekten und Teams basiert auf vermeintlich allgemein gültigen Regeln, Vorgehensweisen und Methoden. Wenn systematisch denkende und handelnde Projektmanager/innen diese nur systematisch anwenden, dann ist der Projekterfolg garantiert. Soviel zur Theorie.
Ich erlebe die Praxis aber in zunehmendem Maße anders. Ohne Zweifel sind strukturierte und methodisch fundierte Vorgehensweisen in Projekten nach wie vor wichtig. Jedoch sinkt deren relative Bedeutung für den Projekterfolg. Stattdessen werden andere Faktoren und Kompetenzen wichtiger. Wie zum Beispiel:
- Kommunikative Fähigkeiten der beteiligten Personen – mehr proaktive, offene und verbindliche Kommunikation.
- Weniger starre und blinde Planung – mehr Improvisation und Hausverstand.
- Spannungen erkennen, zulassen, balancieren – Vielfalt und Heterogenität des Teams nutzen.
- Weniger formales Wissen, mehr reales Können.
- Mehr klare und verbindliche Spielregeln, weniger Mikro-Management. Mehr Selbstorganisation und Agilität.
Ich bin mir sicher: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern fast ausschließlich ein Umsetzungsproblem. Das notwendige Wissen für ein „neues“ Projektmanagement ist in der Systemtheorie, der Kommunikationstheorie und den modernen Führungs- und Managementkonzepten vorhanden. Einzig an der Umsetzung hapert es noch. Und hier sehe ich wiederum die Hauptprobleme in der Unwissenheit und teilweisen Ignoranz gegenüber diesen „neuen“ Prinzipien und Regeln der Organisationsgestaltung und Unternehmensführung.
Noch ein letzter Gedanke: Auch die großen, weltweit vertretenen Projektmanagement-Verbände (z.B. PMI und IPMA) tragen derzeit nicht wirklich zu einer grundlegenden Neuorientierung und -konzeption im Projektmanagement bei. Denn die meines Erachtens zaghaften Versuche wie „The Future of Project Management“ (Facebook-Initiative von PMI) reichen bei weitem nicht aus.