Vielleicht kennen Sie das: Ein Thema beschäftigt Sie (bewusst oder unbewusst) über einen langen Zeitraum hinweg, und plötzlich „springt“ es Sie von allen Seiten an. Ungefähr so ist es mir der „Projektkultur“ ergangen. Fast tagtäglich beschäftigt uns das Thema in Beratungs- und Organisationsentwicklungsprojekten. Dann stieß ich vor einigen Tagen auf diese hervorragende Präsentation zum Thema Projektkultur. Und nur kurze Zeit später fragt mein Wiener Kollege Michael Leber via Twitter, ob man die DNA einer Organisation verändern kann? Da war klar: Ich werde einen Blogbeitrag zur Projektkultur schreiben. Was ich zu dem Zeitpunkt – also vor knapp drei Wochen – noch nicht wusste: Es sollte einer der zeitaufwändigsten Blogbeiträge werden, den ich in den letzten 7 Jahren verfasst habe. „Werden Sie zum Gärtner Ihrer Projektkultur.“ weiterlesen
Schlagwort: werte
Enterprise 2.0 – Es geht um die Werte.
Analoge und digitale Welt
Für mich fühlt es sich so an, als ob Menschen heutzutage in zwei unterschiedlichen Welten leben (können) – und dies auch (teilweise) tun:
- analoge Welt: In der analogen Welt finden reale Begegnungen zwischen Menschen statt. Hier tauschen wir uns aus, wir streiten und lachen zusammen. In der analogen Welt passiert die Wertschöpfung in Form von Produkten und Dienstleistungen.
- digitale Welt: Durch die informationelle Vernetzung (Internet, Web 2.0, Social Media, Enterprise 2.0, Mobile, Cloud Computing…) ist in den vergangenen Jahrzehnten eine „Parallelwelt“ entstanden, nämlich die digitale Welt. Hier findet vermehrt praktisch dasselbe statt wie in der analogen Welt, nur eben digital.
Gewiss bringt dieser Wandel nicht nur Vorteile mit sich. Aber es nützt auch nichts, dies als Begründung herzunehmen, sich der Entwicklung zu verschließen. Im Gegenteil! Für die meisten Unternehmen wird es überlebenswichtig sein (oder ist es sogar jetzt schon), die neuen technologischen Möglichkeiten zu erkennen, zu verstehen und in die Strategien, Prozesse, Strukturen und schlussendlich in die Organisationskultur zu integrieren. Das verstehe ich unter Enterprise 2.0!
Wertewandel
Die technologischen Innovationen sind verhältnismäßig trivial. Komplex und langfristig entscheidend ist der Wertewandel, der damit verbunden ist (als Resultat und Voraussetzung gleichermaßen).
Einige Aspekte dieses (Werte)Wandels möchte ich beispielhaft aufzeigen (vgl. Stiehler/Schabel 2012: Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld; Thesenpapier):
- Die Bedeutung der Wissensarbeit nimmt immer stärker zu. Und auch das produzierende Gewerbe muss sich „smart“ aufstellen, um langfristig wettbewerbsfähig sein zu können. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie nimmt in diesem Zusammenhang immer mehr eine Schlüsselfunktion ein.
- Neue Medien und Technologien haben die Welt schlagartig transparenter gemacht. Die Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sind offensichtlich und nicht umkehrbar. Diese Transparenz ist Segen und Fluch zugleich – der achtsame Umgang damit essenziell.
- Die viel zitierte „explodierende Komplexität“ ist (leider) nicht nur ein Buzz Word. Durch die Vernetzung ist die Informationsdichte und die Rückkopplung derselben dramatisch gestiegen.
Vor allem Führungskräfte sollten (endlich) die analoge UND die digitale Welt verstehen, um ihre Organisation zukunftsorientiert aufzustellen und zu führen. Dazu ist aber nicht nur ausreichendes Wissen über die Technologien, Möglichkeiten und Gefahren notwendig. Vor allem brauchen wir eine neue Wertehaltung in der Gestaltung, Führung und Steuerung von Organisationen.
Hier ein Versuch einer Gegenüberstellung (vgl. Communardo, E2Innovate, Community of Knowledge):
Enterprise 1.0 | Enterprise 2.0 |
analoge Welt | analoge + digitale Welt |
(im Zweifel) Misstrauen | (im Zweifel) Vertrauen |
Fokus auf Management | Fokus auf Führung |
Hierarchie | (systemisch gestaltete und geführte) Netzwerkorganisation |
Menschen = Ressource | Menschen = Sinn und Zweck |
Fokus auf Prozesse und Strukturen | Fokus auf (reife) Kommunikation und Teamarbeit |
Intransparenz (Standard = kein Zugriff) | Transparenz (Standard = Zugriff) |
Push | Pull |
teilen, trennen | verbinden, integrieren |
Wissen besitzen | Wissen teilen |
read-only | read/write/comment |
Unternehmenskommunikation | Mitarbeiterkommunikation |
Projektmanagement 1.0 | Projektmanagement 2.0 |
Formalismus | Agilität |
Technologie = IT-getrieben | Technologie = Nutzer-getrieben |
Nun gehöre ich keinesfalls zu jenen, die
- das Neue bedingungslos und unkritisch befürworten und
- das Alte für überholt halten.
Wir benötigen vielmehr eine sinnvolle Integration des Bewährten (= Teilmenge des „Alten“) und des Neuen auf einer höheren Entwicklungs- und Reifestufe. Denn die neue Welt wird eben nicht mehr in Richtig-Falsch- bzw. Schwarz-Weiß-Logiken funktionieren. Vielmehr geht es in einer komplexen Welt darum,
- möglichst viele relevante Informationen zu sammeln,
- achtsam zu analysieren und zu bewerten und
- daraus (gemeinsam) die richtigen Maßnahmen und Schlüsse abzuleiten.
Jene Unternehmen, die den Wandel zum „Enterprise 2.0“ schaffen, werden schon sehr bald einen signifikanten Wettbewerbsvorteil haben. Denn sie können
- mit Komplexität und Vielfalt wesentlich besser umgehen,
- folglich schneller lernen und sich neuen Umweltbedingungen rascher anpassen und
- bieten gleichzeitig ein attraktives Arbeitsumfeld für talentierte, motivierte und selbstbewusste Mitarbeiter/innen.
Relevanz für das Projektmanagement
Selbstverständlich bietet sich gerade die Zusammenarbeit in Projekten an, diese neuen Technologien, Arbeitsweisen, Prinzipien und Werte auszuprobieren und zu integrieren. Denn gerade in Projekten ist wirkungsvolle und gezielte Kommunikation das Erfolgsfaktor #1.
Aber auch hier gilt: Der Einsatz innovativer Kommunikationstechnologien kann nur dann funktionieren, wenn Bewährtes und Neues sinnvoll integriert werden.
Weiterführende Informationen
- HAYS Wissensarbeiter Studie
- IBM CEO Study 2012
- Dell Studie „Evolving Workforce“ (3. Auflage 2012)
- Die Zukunft der Arbeit ist da (imgriff.com)
- Wie das Web 2.0 Machtstrukturen ändert (Süddeutsche)
- Wie wir morgen arbeiten (Süddeutsche)
Zukunft der Arbeit – 3. Auflage der Dell-Studie
Die informationelle Vernetzung (Mobile, Web 2.0 & Social Media, Enterprise 2.0, Social Business & Co) wird die gesellschaftliche, politische und wirtschaftlichen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte (Jahrhunderte?) mindestens gleich stark prägen wie die Entwicklung der Sprache, Schrift und des Buchdrucks (vgl. 16 Thesen von Prof. Dirk Baecker zur „Nächsten Gesellschaft“ – Video).
Dell-Studie: The Evolving Workforce
Dell hat in diesem Zusammenhang kürzlich die 3. Auflage der Studie „The Evolving Workforce“ (kostenloser Download) veröffentlicht. Die Kernergebnisse sind (Auszug Presseaussendung):
Wahlfreiheit bei der Technologie erhöht die Produktivität: Es gibt in Unternehmen ein wachsendes Bewusstsein, dass die Produktivität der Mitarbeiter zunimmt, wenn sie bei den Technologien, die sie verwenden, und beim Grad ihrer betrieblichen Mobilität ein gewisses Maß an Wahlfreiheit haben. Zur Ermittlung des Grads der Wahlfreiheit müssen Kennzahlen festgelegt werden. Auf dieser Grundlage können Unternehmer dann feststellen, wie sich auf bestimmte Arbeitsstile ausgerichtete Technologien auf die Effizienz auswirken;
Produktivität versus Risiken: Unternehmen müssen untersuchen, ob die höhere Produktivität durch die technologische Wahlfreiheit die damit verbundenen Risiken überwiegt. Unter den befragten Führungskräften besteht Konsens, dass die Verwendung von privaten Geräten am Arbeitsplatz mit zusätzlichen Sicherheitsrisiken und der Gefahr von Datenmissbrauch verbunden ist. Die Herausforderung besteht darin, sowohl die Produktivität genau zu ermitteln, als auch die Sicherheitsrisiken präzise einzuschätzen und beides gegeneinander abzuwägen;
Neue Einstellung zur Mobilität: Führungskräfte haben mittlerweile akzeptiert, dass mit Tablets, Smartphones und Cloud Computing für die Unternehmen die Notwendigkeit entstanden ist, sich stärker in Richtung Mobilität zu orientieren. Viele Experten meinen, dass eine Konvergenz von Anwendungen über unterschiedliche Geräte die Mobilität der Beschäftigten weiter fördern wird. Unternehmen, die in Zukunft die Produktivität steigern wollen, müssen daher herkömmliche Bedenken gegenüber mobilen Prozessen ausräumen;
Transparenz gegenüber den Mitarbeitern: Die Frage der Transparenz von IT-Entscheidungen für Mitarbeiter stellt eine Herausforderung für das Management dar. Die Führungskräfte hielten dabei fest, dass die bei der Consumerization verfolgte Unternehmens-Policy für die Mitarbeiter nachvollziehbar sein muss, weil die entsprechenden Maßnahmen sonst gegenteilige Effekte auslösen können. Es bestand Einigkeit darin, dass hier durch Transparenz langfristig Vertrauen aufgebaut werden muss, um tatsächlich Produktivitätseffekte zu erreichen;
Strategische Innovation: Um sich auf dem Markt zu behaupten, müssen nach Auffassung der Experten Unternehmen in ihrer IT intelligentere, mobil-orientierte und integrierte Ansätze verfolgen und daher dem Thema IT-Consumerization mit Offenheit begegnen, wobei die Zusammenarbeit mit Partnern, die maßgeschneiderte Lösungen erstellen, hilft, sowohl den Anforderungen der Unternehmen als auch der Mitarbeiter gerecht zu werden.
Fazit
Die Entwicklung bietet für Organisationen Chancen und Gefahren zugleich. Meine Überzeugung ist: Die Chancen können (bei weitem) überwiegen, wenn man die Technologien versteht. Vor allem aber müssen die Entscheidungsträger/innen in Unternehmen erkennen, dass
- die Technologien einen Werte- und Kulturwandel beschleunigen und umgekehrt
- „neue (gelebte) Werte“ notwendig sind, um die Technologien erfolgreich und nutzenstiftend anzuwenden (Stichworte: Leadership 2.0, Agile Values, Enterprise 2.0…).